Vertreter aus San Antonio, der neuen Partnerstadt von Darmstadt, haben sich fünf Tage lang über all das informiert, was ihre neue Partnerstadt ausmacht. Dabei staunt die...
DARMSTADT. Wenn es dem Mann aus Texas etwas seltsam vorkam, 8650 Flugkilometer bewältigt zu haben, um in einem Heuschober am Stadtrand von Darmstadt ein Gemüsesüppchen zu löffeln, ließ er es sich nicht anmerken. Ron Nirenberg, 40, unabhängiger Bürgermeister der Millionenstadt San Antonio, ließ sich die Hausmannskost vom Hofgut Oberfeld am Freitagmittag sichtlich schmecken, verteilte Komplimente an die Küche und fragte neugierig, ob die Ställe und Hallen tatsächlich erst zehn Jahre alt seien.
Der Kurzbesuch auf dem Ökohof passte gut ins Besuchskonzept der US-Delegation: Fünf Tage lang informierte sich eine 24-köpfige Gruppe aus Politikern, Wirtschafts- und Kulturvertretern über all das, was ihre neue Partnerstadt ausmacht. Da gehörte das Hofgut als Sozial- und Ökoprojekt unbedingt mit rein, wie Nirenbergs Amtskollege Jochen Partsch vor Ort erklärte. Dies sei "the Darmstadt Way of Life", die Essenz hiesiger Lebensart.
Tatsächlich waren es die vermeintlich kleinen Dinge und Momente, die die Besucher beeindruckten. Als Nirenberg und Partsch am Freitagabend die offiziellen Verschwisterungs-Urkunden unter dem Beifall von rund 200 Gästen im Darmstadtium unterzeichneten, hob der Texaner, Sohn jüdischer Einwanderer aus Osteuropa, die Verlegung der kleinen, markanten Stolpersteine zur Erinnerung an ermordete Darmstädter Juden besonders hervor.
Die kleine Zeremonie hatte er am Vortag mit begleitet. Die Begegnung mit Angehörigen von Luise Fulda, die in Theresienstadt umgebracht wurde, und einigen Dutzend Darmstädter Schülern hatte er als "bewegende Erfahrung" erlebt - eine Art von Erinnerungskultur, die Nirenberg vorbildlich findet. "Die Stolperstein-Aktionen erinnern uns, dass diese dunklen Zeiten nicht ewig zurückliegen, sondern in einer modernen, industrialisierten Zeit stattgefunden haben." Auch deswegen sei es heute wichtig, Brücken zu bauen zwischen den Menschen in entlegenen Städten - "das ist die wertvollste Infrastruktur, die wir für die Zukunft brauchen."
Neidisch auf radelnden OB
Die Erinnerungskultur wird nur eines von vielen Feldern sein, auf dem sich die Kommunen und die Universitäten - auch sie sind künftig Partner - austauschen. "Die Gemeinsamkeiten sind groß und vielversprechend", sagte Partsch in seiner Rede vor der Unterzeichnung. Bei Themen wie Erneuerbare Energien will man voneinander lernen. IT-Forschung im Allgemeinen, Cyber-Security im Besonderen spielen in beiden Städten eine große Rolle - Raumfahrt sowieso. Doch neben den ganz großen Themen gab es auch andere Attraktionen, die Nirenberg und seine Mitreisenden aus Kultur und Wirtschaft erstaunten.
Wie der grüne OB radelnd zum Termin am Oberfeld erschien, machte seinen texanischen Kollegen schon ein bisschen neidisch. Das täte er auch gern öfter im Dienst. "Aber wir sind nicht gerade eine radfreundliche Stadt." Ins Büro fährt er im Auto. Immerhin: Zwischen Rathaus und Verwaltungen "machen wir viele Strecken zu Fuß."
Nachbarn ziehen eigenes Gemüse in 30 Bürgergärten
Das Süppchen aus eigenem Anbau vom Oberfeld wiederum bestätigte ihn, die 30 öffentlichen Gärten, auf denen die Bürger von San Antonio ackern, weiter zu fördern. Nachhaltige Landwirtschaft in der Stadt: Das ist eine der grünen Ideen, die auch dem als progressiv geltenden Nirenberg am Herzen liegen.
Eine andere ist die der Konversion nach Darmstädter Modell. Die Art und Weise, wie die Jefferson-Siedlung in ein modernes Wohnquartier mit hohen ökologischen Standards umgemodelt wird, ließ die Vertreter von San Antonio angeregt diskutieren. "Wir heißen Military City USA", sagt Nirenberg. Doch einige Standorte wurden zuletzt geschlossen. Auf zweien siedelt die Stadt Firmen, Forschungseinrichtungen, eine Ärzteschule an. Und Neubürger. "Wir möchten so auch mehr junge Menschen in die Stadt bringen" - noch ein Punkt, an dem die Geschwister künftig die Köpfe zusammenstecken dürften.