Stadt: Radentscheid in Darmstadt ist unzulässig

Der Darmstädter Magistrat hält das von der Initiative "Radentscheid Darmstadt" angestrebte Bürgerbegehren zum Ausbau des Radwegenetzes für unzulässig. Archivfoto: dpa

Der Darmstädter Magistrat hält das von der Initiative "Radentscheid Darmstadt" angestrebte Bürgerbegehren zum Ausbau des Radwegenetzes für unzulässig. Oberbürgermeister...

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DARMSTADT. Der Darmstädter Magistrat hält das von der Initiative "Radentscheid Darmstadt" angestrebte Bürgerbegehren zum Ausbau des Radwegenetzes für unzulässig. Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) sagte am Donnerstag, der Bürgerentscheid werde deshalb nicht durchgeführt. Das Begehren sei "materiell unzulässig", weil der von den Initiatoren eingereichte Vorschlag zur Deckung der Kosten der von ihnen angestrebten Ziele nicht ausreiche.

Die Initiative beziffert die Kosten dafür auf 2,6 Millionen Euro im Jahr, das Bau- und Verkehrsdezernat kommt bei seinen Berechnungen auf fünf bis sechs Millionen Euro. Über die Empfehlung des Magistrats muss das Stadtparlament in seiner nächsten Sitzung am 30. August entscheiden. Eine Sondersitzung an einem früheren Termin hat der Ältestenrat des Parlaments laut Partsch abgelehnt.

Partsch sagte, er halte die von den Rad-Aktivisten angestrebten "Ziele prinzipiell für richtig". Damit man sehe, "dass es uns ernst ist", kündigten der Oberbürgermeister und Verkehrsdezernentin Barbara Boczek (Grüne) ein "Sonderprogramm Investition Radverkehrsförderung 4x4 Rad" an. Es sieht in den kommenden vier Jahr zusätzliche Investitionen in den Radverkehr von jährlich vier Millionen Euro vor. Zur Umsetzung sollen vier neue Verkehrsplaner eingestellt werden, davon zwei 2019 und zwei 2020.

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Abstimmung am Tag der Landtagswahlen?

Der Ausbau des Radwegenetzes soll gemeinsam mit den Initiatoren des Radentscheids erörtert werden. Partsch kündigte entsprechende Gespräche an, zu denen der Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, Burkhard Stork, als Moderator herangezogen werden soll. Stork hatte diese Aufgabe bereits in anderen Städten, unter anderem in Bamberg, übernommen. "Auch wenn es nicht zum Bürgerentscheid kommt, wollen wir wesentliche Inhalte des Bürgerbegehrens auf die Straße bringen", betonte der Oberbürgermeister.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung des Magistrats. Nicht nur die gesammelten Unterschriften, sondern auch die Finanzierungsvorschläge seien durch eine renommierte Rechtsanwaltskanzlei geprüft und für gut befunden worden, sagte David Grünewald, der die Initiative mit auf den Weg gebracht hatte. Bürger hätten nicht die Mittel, eine solche Finanzierung im Detail zu planen. "Wenn man wohlwollend geprüft hätte, wäre unser Begehren durchgegangen." Er kündigte an, dass man im Fall, dass die Stadtverordneten das Begehren ebenfalls ablehnen, gegen den Beschluss Rechtsmittel einlegen werde.

Nach den Vorstellungen der Initiative sollten die Wähler am Tag der Landtagswahl am 28. Oktober über die Ziele des Begehrens abstimmen: der Bau von fünf Kilometer Radwegen an Hauptstraßen pro Jahr, drei sichere Kreuzungen pro Jahr, fünf Kilometer attraktive Nebenstraßen pro Jahr, die zügige Beseitigung von Wege-Mängeln, 50 Bordsteinabsenkungen pro Jahr, zehn Gehweg-Aufpflasterungen pro Jahr.

Initiative habe neuen Schwung in die Radverkehrs-Politik gebracht

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Zur Unterstützung des Begehrens wurden bis zum 20. Juni 11 520 Unterschriften eingereicht. Davon waren nach Angaben der Stadt 9326 gültig und 2194 ungültig. Das gesetzlich vorgeschriebene Quorum, um beim Parlament ein Bürgerbegehren fordern zu können, war damit klar erfüllt. Nötig war dafür die Zustimmung von mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten, also 3347 Darmstädtern.

Partsch sagte, man habe das Begehren "sehr genau geprüft" und - mit Blick auf den gewünschten Abstimmungstermin am 28. Oktober - "nicht auf Zeit gespielt". So habe das Gutachten des Rechtsamts dazu am 12. Juni und die Stellungnahme des Hessischen Städtetags erst am 22. Juni vorgelegen.

Der OB sagte, die Initiative habe neuen Schwung in die Radverkehrs-Politik gebracht und einen "großen Beitrag zur Verkehrswende in Darmstadt geleistet". "Das freut mich." Urbane Mobilität sei künftig nur noch möglich, wenn der motorisierte Individualverkehr reduziert und Rad- sowie Nahverkehr gestärkt würden.

Initiativen-Vertreter: Notfalls ein neues Begehren

Partsch betonte, auch wenn die Radentscheid-Vertreter Rechtsmittel einlegen sollten, was er "nachvollziehen könne", solle es die anvisierten gemeinsamen Gespräche über den Radnetz-Ausbau geben. "Wir strecken die Hand aus", sagte Boczek, Partsch sprach von einem "konsultativen Demokratiemodell". Beide haben dazu bereits Vorgespräche mit den Rad-Aktivisten geführt.

Grünewald sagte, man werde sich an den Gesprächen beteiligen. "Wenn eine Vorlage zum Ausbau des Radwegenetzes herauskommt, die sich mit unseren Zielen deckt, dann tragen wir das mit." Die grün-schwarze Koalition müsse sich die Forderungen der Initiative zu eigen machen. Skeptisch zeigte er sich dabei mit Blick auf die CDU, "dass sie diesen Weg konstruktiv mitgehen will". Scheiterten die Gespräche, werde man ein neues Bürgerbegehren mit einem überarbeiteten Finanzierungsvorschlag starten, kündigte Grünewald an.

Von Joachim Nieswandt