Am Donnerstag ist es soweit: Das Heinerfest ist nach der Corona-Pause wieder zurück. Doch beim Aufbau für den Trubel ist beim Festplatzteam viel Fingerspitzengefühl gefragt.
DARMSTADT. Auf dem Platz zwischen Hessischem Landesmuseum und Staatsarchiv stehen am Montagmittag noch nicht allzu viele Buden. „Fisch Levy“ allerdings hat seinen Wagen schon direkt am Herrngarten-Eingang positioniert und ist mit dem Standort an sich auch sehr zufrieden. Das heißt, er war es bis Montag am späten Vormittag; da nämlich hat er erfahren, dass neben ihm nicht, wie in den Vorjahren „Willi, der Wurm“ steht, sondern der „Commander“ aufgebaut werden soll – mit einer Tiefe von 24,50 Meter. „Dann brauchen wir den Fisch-Imbiss gar nicht erst aufzumachen“, klagt dessen Chef. Schließlich sei die Bude dann komplett verdeckt. „Da sieht uns kein Mensch.“
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Nun ist es an Harry Korn und Peter Cölsch, den aufgebrachten Schausteller zu beruhigen, der auch noch mit seiner „Euro-Tombola“ auf dem 72. Heinerfest vertreten sein wird. „Das kriegen wir schon“, sagt Cölsch, ehemaliger Darmstädter Marktmeister und nun beim Heimatverein Darmstädter Heiner ehrenamtlich als solcher vertreten. „Gib‘ uns 'ne halbe Stunde“, schiebt Korn nach. Zwar arbeitet er derzeit noch im Vermessungsamt, fürs Heinerfest aber tauscht er den Bürostuhl gegen eine Lauftätigkeit durch die Innenstadt und kümmert sich als Leiter des Festplatz-Teams des Heimatvereins darum, dass am Donnerstagmittag, dem Eröffnungstag, jeder Fahrgeschäftbetreiber und Budenbesitzer an der richtigen Stelle steht, Strom und Wasser hat – und idealerweise gute Laune; schließlich muss das Geschäft in den fünf Festtagen brummen.
800 Bewerbungen für 200 Plätze
Zwei Jahre lang haben die Schausteller die größte Krise durchgemacht, die man in der Branche überhaupt erleben kann. Kein Fest, keine Einkünfte. „So einfach ist das“, sagt Harry Korn. Entsprechend groß sind die Erwartungen in diesem Jahr, „und das merkt man vielen auch an, sie sind empfindlicher geworden“. Jeder will den besten Platz. Korn muss es wissen, denn er hat schon etliche Heinerfestpläne geschrieben – und zwar Monate vor Beginn des Rummels.
Bis Ende Oktober laufen bei Sabine Welsch vom Heimatverein zunächst die Bewerbungen ein; 800 waren es fürs Fest in diesem Jahr. Gut 200 Plätze sind zu vergeben. 70 bis 80 Prozent „Dauerbeleger“ zählen Kölsch und Korn – Stammgäste also, die gerne Jahr für Jahr an der gleichen Stelle stehen wollen, schließlich soll das Publikum sie ja auch finden: So gehört das Schwarzwaldhaus auf den vorderen Friedensplatz, die Geisterbahn vors Landesmuseum, das Riesenrad auf den Marktplatz.
Und da steht das gelbe Rad auch schon am Montagfrüh, 55 Meter hoch, nur die 36 Gondeln fehlen noch. Mit acht Sattelschleppern sind die Einzelteile des Riesenrads nach Darmstadt gereist, nur „Rio Rapidos“, die größte transportable Wasserrutsche Europas mit 45 mal 60 Meter, hat mehr Fahrzeuge gebraucht. Auf elf Sattelzügen war alles verteilt, was man für den nassen Spaß auf dem Mercksplatz braucht. Nur die 300 Kubikmeter Wasser, die ab Donnerstag über die Rutschen schießen, kommen aus dem hiesigen Netz. Nein, den Woog zapfe man dafür nicht an, scherzt Korn und nennt wieder in paar Zahlen aus dem Kopf, dass es dem Zuhörer schwindlig wird. So mussten 25 Standrohre aufgestellt und 4500 Meter Leitungen verlegt werden, dass jeder Stand fließendes Wasser hat. Aus 85 zusätzlichen Schaltkästen kommt der Strom, 1966 Meter Kabel wurden dafür verlegt. „Die Zeiten, an denen man sich den Strom von den Straßenlaternen abgezapft hat, sind vorbei“, so Cölsch.
Jeder Standplatz wird haargenau ausgemessen
Er ist auf dem Festplatz ebenfalls eine Institution. Jeder kennt ihn – und weiß, dass Cölsch ein Profi ist. Das muss man auch sein, wenn man mitten in der Innenstadt bei laufendem Betrieb ein solches Fest aufbaut. Denn schließlich fahren Bussen und Bahnen auch weiterhin, Geschäfte müssen angeliefert werden, und auch der Wochenmarkt läuft. Cölsch ist mit seinem Messrad natürlich auch ein gefragter Mann; er misst jeden Standplatz haargenau aus, sorgt dafür, dass kein Wasserhydrant zugebaut oder Notausgang versperrt wird und dass Oberleitungen und Lichtmasten unversehrt bleiben.
Doch auch, wenn Cölsch und Korn „alte Hasen“ sind, sensible Schausteller und verschärfte Sicherheitsmaßnahmen machen auch ihnen zu schaffen. Dazu zählt vor allem das Aufstellen der Poller am Donnerstagmittag, was den Verkehr wieder teilweise zum Erliegen bringen wird, fürchten sie. Sorge bereitet ihnen auch, dass die Schausteller ab 2023 ihre Wohnwagen, Sattelzüge und Fahrzeuge nicht mehr auf dem Messplatz abstellen können. Derzeit stehen ihnen dort 20.000 der 40.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Nächstes Jahr, wenn dort gebaut wird, fällt der Platz weg. „Eine Alternative hat uns die Stadt noch nicht genannt“, seufzt Korn.
Pommes, Thüringer, Ofenkartoffeln
Einen Seufzer setzt auch Elisa Grupe von der Schausteller-Familie Hausmann ab. Auf dem Karolinenplatz bauen die Hausmanns ihren großen Biergarten auf, ein paar 100 Meter entfernt, auf der Südseite des Friedensplatzes, hat Elisa einen Ausschank, einen Imbiss – und zwölf Biertischgarnituren aufgestellt. „Ich hab die komplette Palette“, sagt Elisa und greift gleich zum Du: Pommes, Thüringer, Ofenkartoffeln („es gibt ja auch Vegetarier“), Champignons, Schnitzel. Alles ist da, nur keine Maiskolben mehr, „das lohnt sich nicht“, und auch mit dem Personal wird‘s knapp. „Du glaubst nicht, was sich da alles meldet“, sagt sie. Schwarz wollten die meisten arbeiten, aber das kommt bei ihr nicht in die Tüte. Also wird sie mit zehn Personen die Festtage wuppen, „das kriegen wir schon irgendwie hin“.
Von wegen hinkriegen: Auch für den Wagen von Fisch Levy gibt‘s eine Lösung. Die 10-Meter-Bude ist am Nachmittag noch immer an der gleichen Stelle, der Chef zufrieden. Der „Commander“ wird nicht kommen. Kein TÜV, sagt Korn. Kommen aber wird das Fest, – und, hoffentlich, ganz viele Besucher.