Dass der Ruthsenbach ein launisches Gewässer ist, davon können ältere Arheilger ein Lied singen. Im Juli 1932 stand die Ortschaft komplett unter Wasser. Auch das Mühlchen sorgt - wie in diesen Tagen - immer wieder für Gesprächsstoff bei den Arheilgern. Anfang der Woche wurde es geschlossen, im Juli klagten Bürger über den Pegel des Badesees, der um 70 Zentimeter gesunken war. Damals wurden Stimmen laut, das wenige Wasser habe nichts mit der Trockenheit zu tun, sondern sei die Folge davon, dass ein Großteil des Ruthsenbachs gar nicht ins Mühlchen fließe.
Von Annette Wannemacher-Saal
Lokalredakteurin Darmstadt
Erste Station des Ruthsenbachs ist der Steinbrücker Teich - ein beliebtes Ausflugsziel zum Bootsfahren am Oberwaldhaus. Von dort fließt er über den Betriebsauslass Richtung Kranichstein. Foto: Guido Schiek
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DARMSTADT - Dass der Ruthsenbach ein launisches Gewässer ist, davon können ältere Arheilger ein Lied singen. Im Juli 1932 stand die Ortschaft komplett unter Wasser. Auch das Mühlchen sorgt - wie in diesen Tagen - immer wieder für Gesprächsstoff bei den Arheilgern. Wegen erhöhter Blaualgen-Konzentration wurde der Naturbadesee Anfang der Woche geschlossen. Und im Juli klagten Bürger über den Pegel des Badesees, der um 70 Zentimeter gesunken war.
Damals wurden Stimmen laut, das wenige Wasser habe nichts mit der Trockenheit zu tun, sondern sei die Folge davon, dass ein Großteil des Ruthsenbachs gar nicht ins Mühlchen fließe. "Das", sagt Stefan Dreiseitel vom Sportamt der Stadt Darmstadt, "hören wir immer wieder". Richtig sei, dass tatsächlich nur ein Teil des Baches am Einlaufbauwerk nahe des Bioversums in einen Kanal fließt, der nach knapp zwei Kilometern ins Mühlchen mündet. Die Obere Wasserbehörde schreibt vor, dass bei Niedrigwasser das gesamte Wasser im Ruthsenbach bleiben muss, damit die Ökologische Durchgängigkeit gewährleistet ist. "Wasser wird dem Mühlchen nicht vorenthalten, der Abzweig regelt an dieser Stelle lediglich die Wassermengen", erklärt Meike Schmidt-Bartel vom Straßenverkehrs- und Tiefbauamt.
Die Maßnahme hat einen umfassenden Hintergrund. Die Stadt Darmstadt und der Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried planen seit einigen Jahren die Umgestaltung des Gewässersystems des Ruthsenbachs in Kranichstein und Arheilgen - einschließlich der drei Hochwasserrückhaltebecken: Erich-Kästner-See, Brentanosee und Seewiese. Zukünftig soll der Ruthsenbach um die Seen herumgeführt werden und nur bei Hochwasser in die Rückhaltebecken fließen.
VON ROSSDORF NACH ARHEILGEN
Der Ruthsenbach entspringt in der Siedlung Bessunger Forsthaus am Westrand von Roßdorf, fließt durch das Naturschutzgebiet Scheftheimer Wiesen und speist den Steinbrücker Teich.
Von dort fließt er nach Kranichstein, durch Erich-Kästner- und Brentanosee ins Arheilger Mühlchen. Dann durchquert er den Ortskern von Arheilgen und vereint sich südöstlich von Wixhausen mit der Silz.
2003 wurde mit der Sanierung des Ruthsenbachs im Ortskern von Arheilgen begonnen - ebenfalls mit dem Ziel einer konstanteren Wasserführung des Bachs. (net)
"Ziel der Maßnahme ist es, einen guten ökologischen Zustand und eine gute Wasserqualität nach den Vorgaben der Europäischen Wasserrichtlinie zu erreichen", sagt Schmidt-Bartel. Dies wiederum sei die Voraussetzung für die Wiederherstellung der Artenvielfalt in den Seen und am Ruthsenbach. Zwei wichtige Naturschutzgebiete - die Silzwiesen und die Scheftheimer Wiesen - werden dadurch nachhaltig für Fische, Krebs und Amphibien vernetzt.
Unterstützt wird die Maßnahme auch vom Land Hessen, das im vergangenen Jahr 554 000 Euro für die Renaturierung des Ruthsenbachs zur Verfügung gestellt hat - Fördermittel aus dem hessischen Programm "Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz".
Dass sich seit 2016 einiges am Ruthsenbachlauf getan hat, zeigt sich am Einlaufbauwerk zum Arheilger Mühlchen nahe der Kranichsteiner Straße. "Hören Sie es gurgeln?", fragt Ralf Tank vom Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried. Und tatsächlich plätschert derzeit nicht nur der Bach zwischen Wiese und Spazierweg. Auch läuft üppig Wasser durch ein Schutzgitter in das Rohr, durch das ein Teil des Bachwassers ins Mühlchen fließt.
Wichtigstes Ziel des Großprojekts ist die ökologische Durchgängigkeit des Ruthsenbachs. "Wir versuchen, den Flussverlauf so wieder herzustellen, dass der Bach von der Quelle am Westrand von Roßdorf bis in den Rhein fließt. Und dass Fische, die typisch für Fließgewässer sind, hier wieder leben können", sagt Tank.
Am Einlauf des Baches in Kranichstein zeigt er auf eine Fischtreppe, die neu angelegt wurde. "Wir hoffen, dass Forellen aus dem Rhein beziehungsweise der Silz über Fischtreppen bis hierher kommen." Voraussetzung dafür ist, dass der Bach durchgängig und ohne Umwege über Teiche und Becken fließen kann. Nur so sei Biodiversität zu schaffen, sagt Tank. "Ein klarer, kühler Bach hat ganz andere Lebensformen als ein warmer Teich."
Dass es sich bei der Renaturierung um eine komplexe Gesamtmaßnahme handelt, wird auch klar, wenn man sich den Verlauf des Baches anschaut, der südöstlich von Wixhausen mit der Silz zusammenfließt. Bis dahin passiert er die drei Rückhaltebecken, die angelegt wurden, um Überschwemmungen wie 1932 zu vermeiden.
Deren Entschlammung ist Bestandteil der Gewässersanierung: 2010 wurde der Steinbrücker Teich, 2014/15 der Erich-Kästner-See und im jetzigen Sommer der Brentanosee entschlammt. Durch die Sedimente des Ruthsenbachs und des vorgelagerten Kästnersees hatte sich auf dem Grund des 25.000 Quadratmeter großen Brentanosees eine mächtige Schlammschicht gebildet, die bereits abgetragen wurde.
Auch soll die wichtige Mindestwasserführung im Ruthsenbach und den Seen jahreszeitabhängig verbessert werden. Dafür werden viele oberhalb gelegene Aufteilungsbauwerke zum Heiligenteich, Arheilger Mühlchen und Erich-Kästner-See optimiert. "Nur so können wir langfristig einen guten ökologischen Zustand und eine gute Wasserqualität erreichen", sagt Schmidt-Bartel.
Damit der Bach störungsfrei fließen kann, wird derzeit der frühere Mühlgraben, der um die Rückhaltebecken führt, ausgebaut. "Wenn wir damit fertig sind, wird sich im Bach wieder das Leben einstellen, wie es früher war", sagt Tank. Und dann werden auch die Blaualgen im Mühlchen kein Thema mehr sein.