Radler wollen mehr Sicherheit in Darmstadt und haben dafür...

Zähes Provisorium: Die gelben Markierungen auf der Rheinstraße kleben noch, der Versuch sollte längst beendet sein. Foto: Torsten Boor

Die Stadt Darmstadt will Ende August das Ergebnis für den umstrittenen Verkehrsversuch in der Rheinstraße vorlegen, von dem vor allem Radfahrer profitieren sollten. Auf...

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DARMSTADT. Weniger Platz für Fußgänger, gefährliches Gerangel zwischen Radlern und Autofahrern - das hat der Verkehrsversuch Rheinstraße nach Ansicht der Fahrrad-Initiativen gebracht. Acht Wochen nach dem offiziellen Ende des umstrittenen Tests kleben die provisorischen gelben Markierungen immer noch auf der Fahrbahn. Die Stadt will aber erst Ende August ihr Ergebnis vorlegen, teilt das Planungsdezernat mit. Auf ECHO-Anfrage ziehen die aktiven Radler schon mal Bilanz - und sagen, wie es besser ginge.

Eine Spur weniger für die Autofahrer Richtung City, zwei mehr für die Radler, die sich entweder auf einem "Schutzstreifen" zwischen parkenden und fahrenden Autos oder wahlweise in Schrittgeschwindigkeit auf dem Fußweg bewegen sollen: Diese neue Verkehrsführung probierte die Stadt seit Ende März mehr als drei Monate lang aus.

Die Absicht dahinter erklärte Verkehrsdezernentin Barbara Boczek (Grüne) so: Man wolle "Autofahrer in der City anders verteilen", mehr über die parallel verlaufende Hügelstraße lenken. Rund 15 Prozent weniger motorisierter Verkehr solle über die stark belastete Kreuzung Rhein-/Neckarstraße rollen, so die Prognose. Außerdem solle für Fußgänger "mehr Raum geschaffen werden". Insgesamt sollte die Neuordnung "für mehr Sicherheit im Verkehrsablauf" sorgen. Während Zahlen zum Autoverkehr noch nicht vorliegen, bewerten die Radler das Ergebnis beim Thema "Sicherheit" schon mal kritisch.

Thomas Grän vom Vorstand des ADFC berichtet von einem geteilten Echo aus Radlerkreisen. Einige sagten: "Ja, das funktioniert." Andere hätten das Gefühl, "dass die Autofahrer sie jetzt viel zu dicht überholen". Eine Lastenrad-Fahrerin habe ihm erzählt, sie habe einem Auto bei einem riskanten Manöver vor Wut in die Seite getreten.

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Nach Gräns Schätzung benutzen "80 Prozent der Radfahrer den Schutzstreifen" neben den Autofahrern. Die Radler könnten einander dort "zügig überholen", aber wenn Autos zum Überholen ansetzen, werde es immer wieder knapp. Sein Fazit: "Das ist nicht die Lösung für die Zukunft." Auch "den Fußgängern hat das gar nichts gebracht". Dabei hatte der ADFC - auf Bitten des Oberbürgermeisters - sogar noch die Nachbesserungen begleitet und befürwortet. Andere Radler gehen in ihrem Urteil noch weiter.

Für David Grünewald vom "Radentscheid" ist das Radfahren gefährlicher geworden als bisher. Er benutze immer den neu markierten "Schutzstreifen" auf der Fahrbahn. Ergebnis: "Ich bin immer einer Gefährdung ausgesetzt, von rechts durch sich öffnende Türen der parkenden Autos, von links durch den fließenden Autoverkehr." Er glaubt, das habe System. "Die Stadt übersieht an dieser Stelle einen Konflikt zwischen den Verkehrsteilnehmern oder will ihn sogar übersehen." Dabei seien viele Bürger heute bereit, weniger Autos und mehr Räder in der Stadt zu akzeptieren. Fazit: "Wir müssen den Straßenraum neu verteilen." 2,30 Meter breite Radstreifen fordert die Initiative an Hauptverkehrsachsen. Platz genug gebe es an der Rheinstraße.

Tim Kress von der Initiative "Darmstadt fährt Rad" benutzt täglich den neu markierten Radweg auf der Rheinstraße. "Ich hab da jedesmal ein ungutes Gefühl", sagt er. Obwohl der Platz zu knapp sei, "überholen mich 100 Prozent der Autos, und viele verringern nicht mal die Geschwindigkeit". Die Alternative, auf dem Gehweg Slalom um die Passanten zu fahren, hält er für ebenso fragwürdig. "Vom praktischen Nutzen her ist das grenzwertig." Den Versuch in dieser Form "sollte man auf keinen Fall verlängern, das erzeugt Konflikte, die immer wieder gefährlich werden können". Dass die Verkehrsplaner versuchen, Autos aus der stark befahrenen Mollerstadt rauszulotsen, begrüßt Tim Kress. Doch die Verkehrsführung stellt er sich anders vor. Zwei Alternativen präsentiert er parallel zum amtlichen Verkehrsversuch im Internet.

Sein Ansatz: Zwei alternative Radwege sind zu viel auf der Rheinstraße, "dieses duale System braucht zu viel Fläche". Es ginge auch anders - um den Preis von Halteplätzen für Lieferwagen und Pkw. Auf deutlich getrennten Bahnen sollen sich nach Vorstellung von "Darmstadt fährt Rad" Fußgänger, Rad- und Kraftfahrer bewegen. Die bisherige durchgehende Ladezone müsste dafür wegfallen oder nur punktuell vor einigen Geschäften ausgewiesen werden. Da stünden sowieso vor allem Falschparker.

Der breite Fußweg könnte dann "auch städtebaulich genutzt werden" - wenn denn die Radler nicht mehr dicht an den Ladenfronten vorbeisausen. Das Planungsdezernat, sagt Tim Kress, habe sich die Varianten angeschaut. Mit der Aussage, man wolle die Ideen "in die Planung einbeziehen".