Queere Ampelpärchen in Darmstadt: Hand in Hand und mit Herz

An der Einmündung der Alexanderstraße in den Cityring ist der Weg jetzt frei für gleichgeschlechtliche Ampelpaare.
© Sascha Lotz

Die Fußgängerampel der Toleranz steht auf Grün. Am Überweg zwischen Darmstadtium und Karolinenplatz leuchten jetzt gleichgeschlechtliche Frauchen und Männchen.

Anzeige

Darmstadt. Es gibt die beiden Damen in Grün, die Hand in Hand mit einem Herz zwischen ihren Köpfen loslaufen. Da sind aber auch zwei Herren in Rot, die Arm in Arm warten, dass es losgeht. Es sind neue Lichtsignale für Weltoffenheit und Toleranz, die am Fußgängerübergang zwischen Darmstadtium und Karo 5 leuchten. Auf Initiative des Vereins „Vielbunt“ hat die Stadt am Dienstagmittag jene gleichgeschlechtlichen Ampelmännchen installieren lassen, die 2015 zuerst in Wien montiert wurden – dort allerdings auch in Hetero-Paarung.

Sie warten Arm in Arm: queeres Ampelpärchen zwischen Darmstadtium und Karo 5.
Sie warten Arm in Arm: queeres Ampelpärchen zwischen Darmstadtium und Karo 5.
© Sascha Lotz

„Ich fand das sofort super“, sagt der grüne Mobilitätsdezernent Michael Kolmer kurz vor der Enthüllung. „Wir haben auch keine Sekunde gezögert, wo wir sie hinmachen.“ Der Übergang an der Einmündung der Alexanderstraße in den Cityring sei schließlich dreifach sinnig. Schließlich kreuzen an dieser Stelle besonders viele Forscherinnen, Lehrer und Studierende, von denen man annehmen darf, dass sie weltanschaulich aufgeschlossen sind. Zum anderen strahlen die neuen Ampelmännchen und -frauchen in Blinkweite zur Regenbogen-Skulptur östlich des Staatsarchivs, dem Denkmal für die Opfer des Paragraphen 175, der noch bis 1994 homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte.

Die Ampel als gesellschaftliche Queerungshilfe

Und schließlich geben die neuen Ampelpärchen nun den Weg frei zum Karolinenplatz, von wo die traditionelle Parade am Christopher-Street-Day ausgeht und auch wieder endet – in diesem Jahr am 19. August. Mit Blick auf den bunten Umzug hat die Stadtverwaltung gleich zusätzliche „Streuscheiben“ in Wien bestellt (Lieferzeit: neun Monate), um an der Strecke temporär weitere Ampelpärchen grün und rot leuchten zu lassen.

Anzeige

Toleranz im sexuellen Miteinander ist ein Thema des Alltags, und was ist mehr Alltag als eine Ampel?

MK
Michael Kolmer Mobilitästdezernent

„Toleranz im sexuellen Miteinander ist ein Thema des Alltags“, betont der Verkehrsdezernent, „und was ist mehr Alltag als eine Ampel?“ Die Fußgängerlichtsignalanlage mit Symbolen der queeren Community wird damit quasi zur gesellschaftlichen Queerungshilfe: Innerhalb von nur zwei Ampelphasen könnte die Akzeptanz diverser Lebensmodelle auf Trab gebracht werden.

Die Darmstädter Ampeln sind zwar nun an einer Stelle etwas diverser, aber immer noch das, was man heteronormativ nennt. Es gibt Männchen, Weibchen, aber noch keine diverse Ampelperson. Eine Herausforderung an die Kunst des leuchtenden Piktogramms, das bislang immer noch von den grafisch nüchternen Figuren westdeutscher Provenienz und den knuffigen Ost-Ampelmännchen mit Hut geprägt ist. Beide Silhouetten finden sich in Darmstadt. Dazu gibt es ebenfalls am Karolinenplatz zwischen Schloss und Landesmuseum bereits seit 2020 einen roten Heinerbub mit Ballonmütze und ein bezopftes Heinermädchen in Grün – Erinnerung ans Heinerfest und an den Darmstädter Grafiker Helmut Lortz (1920-2007).

Bei der Auslegung der eigentlich strengen Richtlinien für Lichtsignalanlagen wurden immer wieder abweichende Formen geduldet. So gibt es laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia zwischen Köln und Zwickau auch die Ampelfrau mit Zöpfen. Emden hat eine Otto-Waalkes-Ampel mit dem hüpfenden Komiker und seinen Ottifanten. In Friedberg gibt es eine Elvis-Ampel mit Hüftschwung (Gehen!) und Mikroständer (Stehen!). In Trier schaltet Karl Marx auf Rot (nur echt mit Rauschebart). In Worms wartet und läuft Luther mit Barett und Talar.

Anzeige

Die Liste der lokalpatriotischen Lichtanlagen ist lang: Im Ruhrgebiet leuchten die Bergmännchen und in Mainz die Mainzelmännchen, in Hameln ist es das Rattenfängerlein und in Schduagert sind’s Äffle und Pferdle. Darmstadt plant laut Mobilitätsdezernent Kolmer derzeit keine weiteren Sondermotive an Fußgängerüberwegen. Der Datterich würde sich für Darmstadt zwar folkloristisch aufdrängen, disqualifiziert sich aber als schwankender Suffkopf für die Teilnahme am Straßenverkehr leider von vornherein.