Protest vor Abschiebegefängnis löst Polizeigroßeinsatz aus
Nach den Protesten gegen die geplante Abschiebung eines Äthiopiers ermittelt diePolizei wegen Verdachts auf Landfriedensbruch - CDU-Politikerin Wolff hält Protest für "nicht akzeptabel"
Von Frank Horneff
Lokalredakteur Darmstadt
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DARMSTADT - Am Freitagmorgen kam es vor der Abschiebehafteinrichtung an der Justizvollzugsanstalt in Eberstadt zu einem Großeinsatz der Polizei. Eine Gruppe hatte zunächst mit einer Demonstration und später auch durch eine Sitzblockade versucht, die Abschiebung eines in der Einrichtung einsitzenden Äthiopiers zu verhindern.
Das Darmstädter Bündnis "Community for all", das sich in den vergangenen Tagen kritisch mit den Bedingungen in Hessens einzigem Abschiebegefängnis auseinandergesetzt hatte (wir berichteten), hatte zu dieser Aktion nicht aufgerufen, wie Sprecherin Dorothea Köhler am Freitagnachmittag auf ECHO-Anfrage erklärte. "Wir erklären uns aber mit der Aktion solidarisch", sagte Köhler.
Der Polizei gegenüber hatte sich nach Angaben von Polizeisprecher Bernd Hochstädter vor Ort kein für die Proteste Verantwortlicher zu erkennen gegeben. Es kam zu "leichten Rangeleien", so der Sprecher.
Foto: Jürgen Mahnke
Die Abschiebung wurde nach Polizeiangaben schließlich wie geplant vorgenommen.
Zuvor hatten sich am Flughafen in Frankfurt Aktivisten des Darmstädter Bündnisses eingefunden, um dort die Abschiebung nach Äthiopien noch zu verhindern. "Der Mann befürchtet, in Äthiopien direkt inhaftiert zu werden, wo ihm möglicherweise Folter und Misshandlungen drohen", so Köhlers Darstellung.
An der Abschiebehafteinrichtung nahm die Polizei zwischenzeitlich 44 Menschen vorläufig fest. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln nun wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, weil eine Polizeiabsperrung durchbrochen worden sein soll.
"Wir haben den Teilnehmern ausreichend Zeit eingeräumt, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen", so Polizeisprecher Hochstädter.
17 MÄNNER WARTEN AUF IHRE AUSREISE
Für Hessens einzige Abschiebehafteinrichtung an der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Eberstadt ist das Innenministerium zuständig, das dem Polizeipräsidium Südhessen übertragen hat, die Einrichtung zu betreiben.
17 Männer zwischen 19 und 40 Jahren sind dort nach Polizeiangaben untergebracht. Sie kommen aus Algerien, Marokko, Nigeria, Tunesien und der Türkei.
Nach europäischer Rechtsprechung müssen Abschiebehäftlinge an einem anderen Ort als Strafgefangene untergebracht werden. Die Abschiebehaft in Eberstadt grenzt zwar an die JVA, beide Einrichtungen haben aber nichts miteinander zu tun.
Vor Ort informierte sich auch die CDU-Landtagsabgeordnete Karin Wolff über das Geschehen. Die Eberstädterin, die auch der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung angehört, zeigte kein Verständnis dafür, dass "mehrfach die rechtlich abgesicherte Ablehnung von Asylbewerbern hintertrieben wird". Die Diskussion um angebliche Gewalt im Abschiebevollzug in Eberstadt sei offenbar völlig haltlos. Hingegen müsse sich jeder, der versuche, eine Abschiebung mit Sitzblockaden und teilweise Gewalt zu verhindern, rechtlich verantworten, erklärte die Darmstädter CDU-Politikerin vor den Eberstädter Gefängnistoren.
Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) äußerte sich am Freitag aus Berlin, wo er am Vorabend für die Stadt den Deutschen Verkehrsplanungspreis entgegengenommen hatte, zu den Ereignissen in Eberstadt. In der Abschiebeeinrichtung des Landes werde geltendes deutsches Recht angewandt und umgesetzt, so der Oberbürgermeister. "Wenn es schwerwiegende Kritik und Vorwürfe zu angeblichen Vorfällen in der Abschiebehafteinrichtung gibt, dann muss das rechtsstaatlich aufgeklärt werden. Dazu gibt es auch den Beirat, der jetzt unverzüglich zusammentreten muss", sagte Partsch weiter. Die Stadtverordnetenversammlung hatte mit großer Mehrheit im Mai die stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Nicole Frölich in den Beirat entsandt.
Die Grünen-Politikerin forderte am Freitag im Gespräch mit dem ECHO, dieses beratende Gremium "umgehend einzuberufen", um sich von den Verantwortlichen über die aktuellen Ereignisse informieren zu lassen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Siebel, Sprecher der Sozialdemokraten im Darmstädter Stadtparlament, sieht die Kritikpunkte des Aktionsbündnisses "von der Polizei ordentlich ausgeräumt." Auch im Landtag sei ihm versichert worden, dass es "auf alle Vorwürfe des Bündnisses zufriedenstellende Antworten des verantwortlichen Polizeipräsidiums gegeben" habe. Zudem habe die Polizei "das Demonstrationsrecht bei der Aktion am Freitag gewährleistet."
Kerstin Lau, Sprecherin der Uffbasse-Fraktion, Kooperationspartner der grün-schwarzen Koalition in Darmstadt, sprach sich dafür aus, "das Demonstrationsrecht vor Ort zu nutzen, um immer wieder darauf hinzuweisen, dass es das Abschiebegefängnis in Eberstadt gibt und dafür zu sensibilisieren, was dort passiert."