Positive Bilanz des Pilotprojekts mit Paketzusteller / Umstellung auf E-Bikes lohnt sich - aber ein Stellplatz fehlt
Fahrrad statt Sprinter: Drei Monate lang hat der Paketdienstleister GLS Pakete in der Fußgängerzone mit einem Lastenrad zugestellt. In dem Pilotprojekt, das zusammen mit der Hochschule Darmstadt (HDA) und in Kooperation mit der Stadt durchgeführt wurde, sollte ermittelt werden, ob sich der Einsatz eines Lastenrades lohnt, ein Transporter ersetzt werden kann.
Von Patrick Körber
Leiter Lokalredaktion Darmstadt und Südhessen
Muharrem Erdinc stellte in der Pilotphase die Pakete per Lastenrad zu. Foto: André Hirtz
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DARMSTADT - Fahrrad statt Sprinter: Drei Monate lang hat der Paketdienstleister GLS von Ende März bis Ende Juni vergangenen Jahres Pakete in der Fußgängerzone mit einem Lastenrad zugestellt. In dem Pilotprojekt, das zusammen mit der Hochschule Darmstadt (HDA) und in Kooperation mit der Stadt durchgeführt wurde, sollte ermittelt werden, ob sich der Einsatz eines Lastenrades lohnt, ein Transporter ersetzt werden kann. "Die Pilotphase war erfolgreich", urteilt nun die HDA-Professorin Dr. Johanna Bucerius, die das Projekt wissenschaftlich begleitet hat.
Unternehmen und Stadt profitieren
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Bucerius spricht sogar von einer Win-win-Situation. Denn der Paketdienstleister GLS könne eine von drei Zustelltouren durch ein Lasten-E-Bike ersetzen - also auf ein Fahrzeug verzichten. Nicht nur das: Obwohl der Fahrradzusteller ortsfremd war, lieferte er in der Fußgängerzone/Innenstadt die Pakete schneller aus als die Kollegen im Transporter. GLS spricht in der Anfangsphase von einer Zeitersparnis im einstelligen Prozentbereich. Mit ortskundigem Fahrer und eingespielten Prozessen sei noch Steigerungspotenzial vorhanden. GLS geht davon aus, dass sich pro eingespartem Fahrzeug sechs Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermeiden lassen. Das habe eine Studie in Nürnberg ergeben. "Das ist ein schönes Ergebnis", sagt Bucerius, "denn so lässt sich Ökologie mit Ökonomie verknüpfen". Und auch die Stadt profitiere, wenn man auf ein Lieferfahrzeug verzichten kann. Es erhöhe die Attraktivität der Innenstadt, wenn weniger Fahrzeuge durch die Fußgängerzone fahren.
Da wundert's nach dem gelungenen Probelauf, dass kein Lastenrad von GLS mehr im Einsatz ist. Der Grund: Es fehlt ein Stellplatz für das Lastenrad. Das Rad muss sicher abgestellt werden und braucht einen Stromanschluss. Für die Pilotphase durfte das Lasten-E-Bike provisorisch auf Flächen des Ordnungsamts unterkommen. Die Stadt bestätigt das Fehlen eines Stellplatzes: "Derzeit ist die Frage eines diebstahlsicheren Standorts für das E-Lastenrad ungeklärt." Die Stadt habe aber "ein hohes Interesse daran, ein Lastenradsystem für Paketdienstleister im Stadtgebiet dauerhaft zu etablieren und auch weitere Kurier-, Express- und Paket-Dienstleister mit einzubeziehen, um so die Anzahl von Zustellfahrzeugen zu reduzieren und dennoch eine ganztägige Zustellung zu ermöglichen", heißt es von der städtischen Pressestelle.
LIEFERN IN DER FUSSGÄNGERZONE
Ein Student der HDA hat den Anlieferverkehr in der Fußgängerzone untersucht und dabei rund 100 Lieferfahrzeuge pro Tag gezählt. Seit Oktober 2015 dürfen Lieferfahrzeuge nur noch bis 12 Uhr in die Innenstadt einfahren. Die Hochschule hatte zu dem Pilotprojekt zwei Abschlussarbeiten vergeben. Eine Arbeit wurden von der Bundesvereinigung Logistik mit dem Thesis Award ausgezeichnet. Die Fußgängerzone ist übrigens auch für Radfahrer nicht überall erlaubt: Das Carree, die Ludwigstraße, die Ernst-Ludwig-Straße und die Schuchardstraße sind komlett für den Radverkehr gesperrt. Der "Wilhelminenbuckel" ist hangabwärts für den Radverkehr gesperrt.
Ganztägig können Kraftfahrzeuge nämlich nicht in die Fußgängerzone liefern. Nur bis zwölf Uhr ist der Lieferverkehr per Auto erlaubt. Danach gehört die Fußgängerzone zumindest theoretisch wieder Fußgängern und Radfahrern allein. Für die verkehrsberuhigten Straßen, in denen auch kein Radfahren erlaubt ist, bräuchte es in Zukunft eine Sondergenehmigung für die Paketdienste, die mit dem Lastenrad unterwegs sind, meint HDA-Professorin Bucerius. Um Stellplatzflächen zu finden soll ein weiteres HDA-Forschungsprojekt aufgesetzt werden. Unter Professor Dr. Axel Wolfermann, Studienschwerpunkt Verkehrswesen, sollen die Logistikflächen in der Innenstadt untersucht werden.
Seine Kollegin Bucerius wünscht sich, dass die Stadt, sobald Stellplatzflächen für Lastenräder gefunden sind, den Druck auf Paketdienstleister erhöht. Beispielsweise durch eine weitere Einschränkung der Lieferzeiten für Kraftfahrzeuge. Damit würde man den Umstieg auf Lastenräder forcieren, denn die E-Bikes dürfen den ganzen Tag in der Fußgängerzone fahren. Pakete können so also zu jeder Tageszeit zugestellt werden. Wenn es dann mittelfristig gelänge, dass die Fahrradzusteller auch wieder Pakete direkt mitnehmen, hätte der stationäre Einzelhandel nicht nur den Service erweitert, sondern könne im Sinne der Kunden auch schneller im Online-Handel reagieren und ausliefern.
Was GLS weiter nutzen darf, ist der Marienplatz für das Aufstellen eines Mikrodepots. Hier hatte der Fahrradpaketkurier immer wieder Pakete für seine Innenstadttouren abgeholt und rund 100 Pakete pro Tag zugestellt.