Thorsten Przygoda hat eigentlich mit Politik "nie etwas am Hut gehabt". Nun tritt der 51-Jährige Wixhausener aber bei der Darmstädter OB-Wahl am 19. März als unabhängiger...
DARMSTADT. Eine Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Wixhausen. Die Räume sind in hellen Beige- und Lachstönen gehalten, das Mobiliar besteht aus Akazienholz. Ein buddhistischer Tempel ziert die Wohnzimmerwand, außer einigen Familienfotos und zwei großen Herzkissen sucht man üppigen Nippes vergebens. Überladen wirkt die Wohnung von Thorsten Przygoda keineswegs - wohl aber gemütlich. "Klar und ungekünstelt", urteilt der 51-Jährige, der mit diesen Attributen zugleich die eigenen Stärken verdeutlichen möchte: Als unabhängiger Kandidat tritt Przygoda am 19. März bei der Wahl zum neuen Oberbürgermeister an.
Für jemanden, der von sich selbst behauptet, mit Politik "nie etwas am Hut gehabt" zu haben, erscheint eine Kandidatur als durchaus gewagtes Projekt. Weshalb er trotzdem ins Rennen zieht? "Weil die Menschen zunehmend unzufrieden sind. Und ich verhindern möchte, dass eine Partei an Macht gewinnt, die da oben nichts verloren hat", erklärt Przygoda. Mehrere Nachfragen ergeben: Der 51-Jährige spielt auf die Alternative für Deutschland (AfD) an. Das weitere Gespräch ergibt allerdings, dass Przygoda selbst der AfD bei den Kommunalwahlen seine Stimme geschenkt hat - von dieser Entscheidung möchte er sich heute aber distanzieren: "Das war eine reine Protestwahl, um ein Zeichen zu setzen", erklärt er. Dass die AfD wirklich so viele Stimmen erhalte, das habe er zuvor nie vermutet. "Ich bin weder ausländerfeindlich noch sonst etwas, habe schließlich sogar eine vietnamesische Ehefrau", stellt er klar.
Dass mit ihm neun Bewerber an den Start gehen, schreckt den 51-Jährigen nicht ab, seine Chancen bewertet er mit "50 zu 50". "Weil ich meinen Mund aufmache und klar sage, was ich denke. Ich lasse mich nicht lenken", betont er. Zuversichtlich stimmten ihn außerdem die Rückmeldungen, die er beim Sammeln der erforderlichen Unterschriften erhalten habe. Er habe den Eindruck, dass parteilose Kandidaten mittlerweile größere Chancen hätten. "Als ich losgezogen bin, habe ich fast an jedem Haus eine Unterschrift bekommen, die Leute reagierten mir gegenüber sehr offen", berichtet er. Selbst, als er den ersten Stapel verloren hatte, sei es kein Problem gewesen, an neue Unterschriften zu gelangen.
Echt, statt gekünstelt - wo Przygodas Prioritäten liegen, macht auch sein Wahlplakat deutlich. "Die Aufnahme hat ein Freund von mir im Sommer im Vivarium gemacht. Ich wollte mich nicht extra ins Fotostudio begeben, sondern so bleiben, wie ich bin", betont der 51-Jährige, der für Darmstadt in den kommenden Jahren viel Arbeit sieht. Ein zentrales Thema seines Wahlkampfs: der Wohnungsbau. "Darmstadt wächst. Das bedeutet, dass wir mehr Wohnungen benötigen. Die Mietpreise müssen runter und wir brauchen mehr Sozialwohnungen", lautet seine klare Meinung. Ein weiteres Anliegen: Der Investitionsstau müsse abgebaut werden. Neben den Schulen gebe es viele Straßen, die dringend saniert werden müssten. "Eigentlich betrifft es alle Straßen im Stadtgebiet, die total kaputt gefahren sind und mich zeitweise an die Zustände erinnern, die ich während meines Polen-Aufenthalts beklagt habe", so der OB-Kandidat.
Mehr Mitbestimmungsrechte für die Bürger
Nachholbedarf sieht er auch beim Öffentlichen Personennahverkehr. "Dieses Thema wurde meiner Meinung nach in der Vergangenheit nicht ausreichend intensiv behandelt. Hier müssen wir mehr investieren", erklärt Przygoda, der schnellere Verbindungen und ein modernes Verkehrsmanagement als Ziele nennt und in diesem Zusammenhang von Landflucht spricht. Weitere Ziele des OB-Kandidaten: mehr Transparenz und Mitbestimmungsrecht für Bürger, eine stärkere Förderung der Darmstädter Vereine, ein neues Stadion im Sinne einer Veranstaltungsarena. Wie das alles trotz städtischer Verschuldung finanziert werden soll? "Durch zusätzliche Gewerbeflächen. Wir müssen Darmstadt als Wirtschaftsstandort attraktiver machen, dann können wir auch höhere Einnahmen generieren."
Von Vanessa Joneleit