Im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters sollte Michael Siebel (SPD) im Vorteil sein. Als Geschäftsführer der Akademie für Kommunalpolitik gibt er Seminare zu...
DARMSTADT. Michael Siebel, OB-Kandidat für die SPD, hat es sich gemütlich eingerichtet in seinem Wohn-, Arbeits- und Musizierzimmer im hellen holzbetonten Dachgeschoss in der Gräfenhäuser Straße. Eine Gitarre mit Noten steht im Raum, ein Geschenk seiner drei Kinder (24, 29 und 32). Seit zwei Jahren nimmt der 59-Jährige Unterricht, will sich sogar noch eine Westerngitarre zulegen. Neben dem Sofa ein Meditationskissen: Stressabbau. In den zwei weißen Billy-Regalen sind belletristische und politische Bücher von Max Frisch bis hin zu einer Biografie von Barack Obama zu finden -alles alphabetisch sortiert. Rechts daneben offenbart sich in einer Vitrine der Sammler Siebel: Dutzende Bärchen aus Holz und Plastik finden sich darin.
Bis zur Oberbürgermeister-Wahl am Sonntag, 19. März, sind aber vor allem seine Fähigkeiten als Wahlkämpfer gefragt. Und da müsste der 59-Jährige eigentlich im Vorteil sein. In seiner Funktion als Geschäftsführer der Akademie für Kommunalpolitik gibt er Seminare zu Hausbesuchen. So hat Siebel die Wiesbadener SPD vor deren letzten OB-Wahlkampf (2013) geschult. Siebel schlüpfte dazu in drei Rollen, etwa als angetrunkener Bewohner im gerippten Unterhemd, oder er verkleidet sich als Franzose, der Hilfe sucht, ein Atelier zu finden. Ein bisschen steckt da nicht nur ein Schauspieler, sondern auch der Pädagoge und Lehrer in ihm, wobei seine Fächerkombination Mathematik und Biologie wenig mit Politik zu tun hat.
Was den Wiesbadener OB-Wahlkampf angeht, könnte Siebel sich mit dem Erfolg seiner Schulung brüsten: Dort hat der SPD-Herausforderer Sven Gerich den CDU-Amtsinhaber aus dem Rathaus gedrängt. Doch der Landtagsabgeordnete Siebel weiß: Auch wenn er sich gut vorbereitet hat, wird es schwer gegen den grünen Amtsinhaber. Ihn ermutigten aber Aussagen von Personen, die ihm gesagt hätten: "Partsch muss weg."
Eines seiner Hauptthemen passt gut zur Wohngegend in der Gräfenhäuser Straße, ein schmuckloses, industriell geprägtes Revier im Westen der Stadt, wo Siebel seit zehn Jahren ein Häuschen besitzt: Siebel setzt auf Industriepolitik als Schwerpunkt. "Wir müssen neue Industriearbeitsplätze schaffen und die jetzigen erhalten." Der Fraktionsvorsitzende der Darmstädter SPD will "richtige Blaumänner-Jobs".
Doch was soll dieser Schwerpunkt in einer Stadt, die im Vergleich zu anderen Kommunen bereits einen hohen Anteil an produzierendem Gewerbe hat? Er kenne Beispiele, wo die Verhandlungen zwischen Firmen und Stadt "unterirdisch" seien.
"Man muss die Firmen an die Hand nehmen"
So habe das Unternehmen Bayer nach der Übernahme von Steigerwald (bekanntes Medikament Iberogast) 20 Millionen Euro am Standort investieren wollen, aber erhebliche Probleme mit dem Denkmalsschutz. "Man muss die Firmen an die Hand nehmen und begleiten." Zudem fordert Siebel ein beschleunigtes Verfahren.
Zudem setzt sich Siebel als OB-Kandidat für eine 100-prozentige Schulkinderbetreuung ein. "Für jedes Schulkind soll es einen Platz geben." Ist das nicht zu viel? "Wenn ich neue Plätze schaffe, steigt auch der Bedarf." Und die Finanzierung? Siebel will das aus den zusätzlichen Einnahmen der Gewerbesteuer zahlen. Eine Million Euro für das Jahr 2017 würden erst einmal reichen, doch die grün-schwarze Koalition habe den Haushaltsantrag der SPD abgelehnt. "Respekt und Würde im Alter" ist ein weiterer Pfeiler im Wahlprogramm. Siebel wünscht sich Beratungs- und aktivierende Angebote für Senioren in den Stadtteilen.
Siebel hat die parteiinternen Querelen und Krisen der Darmstädter SPD nicht nur durchgestanden, sondern ist nach dem Ausscheiden von Hanno Benz auch dessen Nachfolger als Fraktionsvorsitzender geworden. "Einstimmig gewählt", wie Siebel betont. Und: "Wer nicht auch ein Machtbewusstsein hat, hat es ungleich schwerer in der Politik."
In der eigenen Partei ist jedoch noch Überzeugungsarbeit für den Kandidaten Siebel nötig: Bei der Wahl auf dem Unterbezirksparteitag hatten im vergangenen Jahr immerhin 4 von 80 Delegierte gegen seine Nominierung gestimmt.
Von Patrick Körber