Porträt zur OB-Wahl: Jochen Partsch (Grüne)

Das Büro des Oberbürgermeisters, in dem dieses Foto entstand, möchte Jochen Partsch ungern räumen. In seinem eigenen Wohnzimmer daheim sind schreibende und fotografierende Journalisten unerwünscht. Foto: Andreas Kelm
© Andreas Kelm

Der Titelverteidiger spürt nach sechsjähriger Amtszeit keinen Verschleiß - viele Projekte würden erst in der zweiten Amtszeit wirklich wirksam. Nach Berlin oder Wiesbaden...

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DARMSTADT. Wie hat man sich die Darmstädter Oberbürgermeister-Wohnung vorzustellen? Es gibt Regale mit vielen Büchern, eine Stereoanlage mit Rock-lastiger CD-Sammlung, an den Wänden Familienfotos. "Eher bürgerlich", beschreibt Jochen Partsch die Einrichtung.

Auf seine Schilderung muss man vertrauen, denn Partsch möchte keine Journalisten in seinen vier Wänden haben. Seine acht Herausforderer hatten mit dem vom ECHO gewünschten Besuch kein Problem. Aber privat, sagt der amtierende OB, ist privat. Und ohnehin ist sein Terminplan immer eng getaktet. Immerhin findet er die Zeit, das Gespräch aus dem OB-Büro in ein Café zu verlegen.

Überregional bekannt und vernetzt

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Jochen Partsch ist gern Oberbürgermeister. Daran zweifelt niemand, der mit ihm zu tun hat. Auf Fragen nach Ernüchterung oder Verschleißerscheinungen schüttelt er verständnislos den Kopf. "Ich wache fast jeden Tag auf und denke, bei diesem oder jenem Termin kann ich heute das und das voranbringen", sagt der 54-Jährige. Nur während des Konflikts mit der früheren HSE-Führung habe er zeitweilig schlecht geschlafen, "das war schon heftig". Partsch entschied 2012 den Machtkampf beim stadteigenen Energiekonzern für sich.

Mit der erhofften Wiederwahl, so klingt es bei beim Titelverteidiger, soll der Genuss des Amts erst richtig beginnen: "Viele begonnene Projekte werden erst in der zweiten Legislaturperiode wirklich wirksam: Weltkulturerbe-Bewerbung, Landesgartenschau, Lincoln- und Jefferson-Siedlung, Cambrai-Fritsch-Kaserne, Straßenbahn, Radwegenetz."

Na gut, wenn es danach geht, dürfte kein Bürgermeister jemals abtreten: Schließlich gibt es immer Projekte, die über die Amtszeit hinausweisen. Das räumt Partsch ein. Immerhin, die Konversion sollte in weiteren sechs Jahren weitgehend geregelt sein. Damit wäre ihm eine bleibende Wegmarke in der Stadtgeschichte sicher - der Traum vieler Amtsträger.

Der studierte Diplom-Sozialwirt gehört zur Gründergeneration der Grünen. Das verbindet ihn mit seiner Frau Daniela Wagner. Die damalige Landtagsabgeordnete, die später auch dem Bundestag angehörte, heiratete er 1994. Klar, dass bei zwei Profis zuhause Politik oft Thema ist.

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In den Grundfragen, sagt Partsch, sind sich beide immer einig gewesen. Auch den Wandel der Grünen ist das Paar aus Überzeugung mitgegangen, hat ihn in Hessen mitgeprägt: vom basisdemokratischen Polit-Projekt des linksalternativen Milieus zur "Verkörperung von Sicherheit und Kontinuität" (so Vorstandskollegin Hildegard Förster-Heldmann) im Bündnis mit der CDU. Partschs Haare immerhin sind lang geblieben.

Wird Darmstadt für den auch überregional bekannten und vernetzten Politiker irgendwann zu klein? Nein, versichert Partsch. Anfragen habe es schon gegeben. Aber Staatssekretär in Berlin oder Minister in Wiesbaden - das reize ihn nicht. "Mir ist die direkte Begegnung mit den Menschen wichtig. Ich bin gern unter Leuten, bin ja in einer Gastwirtschaft groß geworden."

Verkraften musste Partsch die Entfremdung vom einstigen Langzeitpartner SPD. Der Streit um die Nordostumgehung sei in Darmstadt der "große Knackpunkt" gewesen, sagt er. Die Koalition zerbrach, zeitweilig folgte fast schon Hass. "Es tut mir schon auch leid um manche persönliche Freundschaften", bedauert der Grünen-Politiker. Hat er selbst zu wenig getan, um das rot-grüne "Projekt" zu retten? Nein, Partsch sieht die Fehler auf der Gegenseite. Zugute hält er sich "die Durchlüftung und Erfrischung einer Stadt, die 66 Jahre lang von einer Partei dominiert wurde".

Wie steht es mit eigenen Fehlern in der sechsjährigen Amtszeit? Partsch überlegt. "Wegen der Vielzahl von Aufgaben und Projekten", wagt er sich dann aus der Deckung, "haben wir uns zu spät auf einige wichtige Projekte konzentriert." Als Beispiele für Versäumnisse nennt er den Berufsschul-Entwicklungsplan und die Verkehrsentwicklung.

Hat das Amt den Menschen Partsch verändert? "Das können andere besser beurteilen", wehrt er ab. Sinniert dann aber doch: "Vielleicht ist die Ungeduld in manchen Gesprächssituationen größer geworden. Man muss aufpassen, dass man das nicht auch in den privaten Bereich bringt."