Politologin Saba-Nur Cheema und TAZ-Redakteur Daniel Bax über Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Von Sibylle Maxheimer
Muslime, hier beim Freitagsgebet in einer Moschee nahe Hannover, stoßen hierzulande zunehmend auf Ablehnung. Archivfoto: dpa
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DARMSTADT - Einseitige Berichterstattung, Unwissenheit, Pauschalisierungen und darüber hinaus Ängste schürten massive Vorurteile gegen Muslime. Dies zeigten die Politologin Saba-Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank und der TAZ-Redakteur Daniel Bax anhand von Erzählungen, Titelblättern sowie Statistiken auf. Am Dienstagabend waren sie auf Einladung der Stadt ins Justus-Liebig-Haus zum Demokratiegespräch „Muslimfeindlichkeit in der Einwanderungsgesellschaft“ gekommen, um vor rund 50 Bürgern zu sprechen.
Oberbürgermeister Jochen Partsch wünscht sich eine breite und offene Debatte, damit politische Aufwiegler keine Chance bekommen, die angespannte Situation in den Dienst ihrer Ideologien zu stellen und somit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu vergiften. Er hält diese Veranstaltung, die von Abdul-Ahmad Rashid, Journalist, Islamwissenschaftler und Redaktionsmitglied der ZDF-Abteilung „Kultur und Wissenschaft“ moderiert wird, für wichtig. Denn der Zuzug von Schutzsuchenden habe muslimfeindliche Einstellungen verstärkt, teilweise zu aggressiv geführten Debatten über Zuwanderung und den Islam geführt. Als Demokraten müsse man wachsam bleiben, die persönliche religiöse Praxis und Einstellung des Einzelnen berücksichtigen, wie auch einen kritischen Blick beibehalten, um auf Missstände aufmerksam zu machen. „Ohne aber die Menschen als soziale, religiöse oder ethnische Gruppe zu diffamieren.“
Dies passiere tagtäglich, so Daniel Bax und Saba-Nur Cheema, die das mit Titelblättern von Focus, Stern und Spiegel beweisen: „Islam und Terrorismus werden oft zusammengebracht“, sagt Saba-Nur Cheema, und was viele nicht wüssten: Etliche Journalisten stellten ihre eigene Fremdenfeindlichkeit stark in den Fokus der Berichterstattung, nicht wenige davon seien sogar AfD-Berater. Die Omnipräsenz in den Medien verzerre zudem das Bild der rund fünf Prozent in Deutschland lebenden Muslime, „wovon nur eine Minderheit religiös sind“, wie Bax betont. Doch die Angstbilder wirkten und werden besetzt: Rund 50 Prozent der Deutschen sähen im Islam eine Bedrohung, meinten, dass er nicht in die westliche Welt passe. 40 Prozent fühlten sich „durch Muslime wie ein Fremder im eigenen Land“. 24 Prozent möchten, dass man Muslime die Zuwanderung untersagen sollte.
Selbst in den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF, so die Referenten, bestimmten Terrorismus, Integrationsschwierigkeiten, Extremismus und internationale Konflikte die Berichterstattung. „Muslime gibt es nur im Kollektiv“, kritisiert Saba-Nur Cheema, die sagt: „Muslime sind die anderen und gehören nicht zum Mehrheits-Wir.“ Viele Menschen hätten keinerlei Kontakt zu Muslimen.
Sie betont, dass man den Islam nicht verstehen müsse, um ihn zu akzeptieren. Lieber zeigt sie verschiedene Perspektiven auf, um deutlich zu machen, dass es keine großen Unterschiede zwischen Deutsch- und Muslimischsein gibt.
Über Formate wie „mein Moschee Report“ oder den Poetry-Slam „i.slam“ könne man viel über muslimisches Leben in Deutschland erfahren: „Lebenswelten, die ganz anders sind, als wir denken.“