Politik und Wirtschaft drängen das Land Hessen zum Ausbau von Straßen und Bahn. Die Finanzierung ist kein Problem, vielmehr die Orientierung, denn das Land konzentriert sich bei Verkehrsinvestitionen auf Brücken und Autobahnen. Das nützt dem Autobahn freien Odenwald wenig.
Von Rainer H. Schlender
Leitung Reporter Rhein-Main/Südhessen
Das Semder Kreuz an der B 45 ist ein Stau- und Unfallschwerpunkt und eine Qual für Zehntausende Berufspendler.
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DARMSTADT - Der Odenwald fühlt sich von der Entwicklung in der Rhein-Main-Region abgehängt. Deshalb fordern Politik und Wirtschaftsverbände einen massiven Ausbau von Straßen und Bahnverbindungen. Dies sei auch notwendig, um den hochverdichteten Ballungsraum zu entzerren.
In einem gemeinsam verfassten Positionspapier beklagen die Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt-Rhein-Main-Neckar, die Industrievereinigung Odenwald, die Landräte der Kreise Odenwald, Bergstraße und Darmstadt-Dieburg, sowie fünf Bürgermeister, zwei Bundes- und fünf Landtagsabgeordnete, dass der Odenwald trotz seiner Bedeutung als Wirtschaftsstandort bei Investitionen in Infrastrukturprojekte zu kurz komme. Die Interessenvertreter der Region sehen parteiübergreifend die Wettbewerbsfähigkeit des Odenwalds in Gefahr und drängen das Land Hessen zum Handeln.
Unternehmen mit internationaler Strahlkraft
Am Geld fehlt es nach Angaben der Unterzeichner nicht: Der Bundesverkehrswegeplan stelle bis 2030 ausreichend Mittel für Infrastrukturprojekte im Odenwald bereit. Allerdings konzentriere das Land Hessen die Verkehrsinvestitionen auf Brücken und Autobahnen. Da der Odenwald der einzige hessische Landkreis ohne Autobahn sei, profitiere er davon nicht.
Die Initiatoren weisen darauf hin, dass der Odenwald kein ländlicher Raum im klassischen Sinne sei. Die Region beherberge zahlreiche Industrieunternehmen mit internationaler Strahlkraft - etwa die Firmen Pirelli oder Koziol. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten habe sich in den vergangenen zehn Jahren besser entwickelt als im hessischen Landesdurchschnitt. Im Gegensatz dazu belegten Michelstadt und Erbach im Punkt "Erreichbarkeit" mit großem Abstand die beiden letzten Plätze in der IHK-Rangliste der Mittelzentren. Nach Feststellung der Unterzeichner sind die Verkehrsnetze heute überlastet. Bleibe das Land hier untätig, befürchten sie, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Region um Jahrzehnte zurückgeworfen wird. Sie wollen nach eigenen Worten nun den "konstruktiven Dialog" mit der Landespolitik in Wiesbaden suchen, um das zu verhindern.
Nach Ansicht der Politiker und Unternehmensvertreter sind große Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Odenwaldes notwendig. Als Beispiele führen sie an:
Die Kapazität der Odenwaldbahn, die von Frankfurt bis zum Neckar fährt, müsse ausgebaut werden. Täglich wird sie von gut 13.000 Fahrgästen genutzt; viele Verbindungen sind überlastet. Empfohlen wird in dem Positionspapier ein zweigleisiger Ausbau, die Verdichtung des Taktes, die Elektrifizierung der Strecke und der Einsatz von Doppelstockwagen.
Die Bundesstraßen 45 und 38 sollen teils vierspurig ausgebaut werden. Für Groß-Bieberau, Mörlenbach, Rimbach und Fürth werden Ortsumgehungen gefordert.
Geschäftsführer Stephan Koziol nannte den notwendigen Ausbau der Hauptverkehrsadern "ein essenzielles Stück der Zukunftssicherung". Michael Wendt, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pirelli Deutschland, sagte: "Um als Arbeitgeber attraktiv und im Wettbewerb erfolgreich zu sein, bedarf es mehr denn je einer modernen Infrastruktur."