Ein Ehepaar aus Eberstadt muss sich wegen des Verdachts auf Menschenhandel vor dem Darmstädter Landgericht verantworten. Es soll Nigerianerinnen zur Prostitution gezwungen haben.
DARMSTADT. Mit einer Rasierklinge schneidet ein Mann mehrmals in die Haut einer 19 Jahre alten Frau. Dann streut er schwarzes Pulver darauf. Eine andere Frau bekommt das Herz eines frisch geschlachteten Hahns zu essen und dann wird auch in ihre Schnittwunden schwarzes Pulver gestreut. Der Mann, ein Voodoo-Priester, erklärt den Frauen, dass sie sterben würden, wenn sie diesen Schwur brechen und ihre Schleuser nicht bezahlten. Solche Rituale mussten laut Oberstaatsanwalt Robert Hartmann junge nigerianische Frauen über sich ergehen lassen, bevor sie nach Deutschland kamen und zur Prostitution gezwungen wurden. In Bordellen sollten die Frauen Schleuser- und Schlepperkosten in Höhe von angeblich mehreren 10 000 Euro abarbeiten, so der Ankläger.
Seit Donnerstag steht ein nigerianisches Ehepaar aus Darmstadt-Eberstadt wegen Verdachts auf Menschenhandel und Zwangsprostitution vor dem Darmstädter Landgericht. Der 44 Jahren alte Angeklagte und seine 41 Jahre alte Ehefrau sollen zwischen 2014 und 2018 als Teil einer Bande, die auch in Nigeria aktiv sei, vier junge Frauen zur Prostitution in Bordellen oder sogenannten FKK-Clubs gezwungen haben. Die sollen in Bürstadt, Idar-Oberstein und in den saarländischen Kommunen Neunkirchen und St. Wendel gewesen sein, beschrieb Oberstaatsanwalt Hartmann.
Nach Kontrollen in Bordellen aufgeflogen
Die Angeklagten, die seit Anfang Juni 2019 in Untersuchungshaft sind, machten am ersten Verhandlungstag keine Angaben zur Sache. Die Polizei war dem Paar auf die Spur gekommen, nachdem Kontrollen in Bordellen ergeben hatten, dass dort Nigerianerinnen illegal beschäftigt waren. Unter Polizeischutz war die erste Zeugin, eine 21 Jahre alte Nigerianerin, ins Landgericht gekommen. Um dann schon bei der Feststellung ihres Alters vom Vorsitzenden Richter Daniel Kästing an ihre Wahrheitspflicht erinnert zu werden. Denn laut Polizei war sie 18 Jahre alt, versicherte nun aber auf Rückfragen, dass sie schon 1998 geboren sei.
Die Aussage schien der Frau schwerzufallen. Oft antwortete sie nur mit einem Wort und auch nur auf Nachfrage des Richters. Nannte kaum Namen und entlastete kurzzeitig die Angeklagte. "Die Lage in Nigeria war schwierig", antwortete sie beispielsweise ausweichend auf die Frage des Richters, warum sie in Deutschland als Prostituierte arbeitete. Aber der Richter wollte weiterhin wissen, warum die junge Frau in einem Bordell in St. Wendel war. "Man hörte, dass das die Arbeit ist, die es in Deutschland gibt", sagte die Nigerianerin.
40.000 statt 100 Euro abarbeiten
Dass sie hier zunächst 40.000 Euro abarbeiten sollte, habe sie gewusst, sagte die Zeugin. "Ich dachte, dass das kein Ding ist." Sie war davon ausgegangen, dass 40.000 Euro in etwa 40.000 nigerianische Naira wären, also rund 100 Euro.
Von Nigeria aus sei sie über Lissabon nach Frankfurt und dann nach Darmstadt gekommen, beschrieb sie. Zwei Monate habe sie bei der Angeklagten gewohnt. "Eines Tages hieß es, dass es an der Zeit ist, dass ich arbeiten gehe", schilderte sie, wie sie in ein Bordell in St. Wendel kam. Ja, sie habe der Angeklagten später auch 6000 Euro gegeben, sagte sie. "Sie hat mich wie eine Schwester behandelt", erklärte sie. "Sie hat dafür bezahlt, dass ich nach Europa kam", antwortete sie auf Nachfrage. "Was wäre passiert, wenn Sie nicht gezahlt hätten?", wollte der Richter wissen. "Das weiß ich nicht, aber da war ja der Schwur", sagte sie. Der Prozess wird an diesem Freitag um 9 Uhr fortgesetzt.