Der Ende März von der Stadt Darmstadt in der Rheinstraße gestartete Verkehrsversuch stößt bei Radfahr-Initiativen auf heftigen Protest. Die Kritik macht sich vor allem daran fest, dass Radler seitdem stadteinwärts zwischen Neckarstraße und Grafenstraße nicht mehr den Radweg auf dem Bürgersteig benutzen dürfen, sondern auf der Straße entlang parkender Autos im fließenden Verkehr fahren müssen.
In der Rheinstraße zwischen Neckarstraße und Grafenstraße müssen Radfahrer jetzt die Fahrbahn benutzen. Foto: Torsten Boor
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DARMSTADT - Der Ende März von der Stadt in der Rheinstraße gestartete Verkehrsversuch stößt bei Radfahr-Initiativen auf heftigen Protest. Die Kritik macht sich vor allem daran fest, dass Radler seitdem stadteinwärts zwischen Neckarstraße und Grafenstraße nicht mehr den Radweg auf dem Bürgersteig benutzen dürfen, sondern auf der Straße entlang parkender Autos im fließenden Verkehr fahren müssen.
Der Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Thomas Grän, nannte das Vorgehen der Stadt "unveranwortlich". Damit habe sie neue Gefahren für Radfahrer geschaffen. Timm Kress von der Initiative "Darmstadt fährt Rad" spricht in einem Brief an Verkehrsdezernentin Barbara Boczek (Grüne) von einem "Schildbürgerstreich" und fragt: "Waren hier Unfähige am Werk?"
Auch bei Radfahrern, die am Mittwoch auf der viel befahrenen Strecke unterwegs waren und mit denen das ECHO sprach, stieß die neue Wegführung mehrheitlich auf Ablehnung. Er habe anfangs gedacht, es handele sich um einen Aprilscherz, sagte ein älterer Radler mit orangener Warnweste über dem Anorak. Ein anderer nannte die neue Routenführung schlecht. Aus Furcht vor sich plötzlich öffnenden Türen parkender Autos fühle er sich dort nicht sicher. Ähnlich äußerten sich weitere Radfahrer.
VERÄNDERTE SPURFÜHRUNG FÜR AUTOS
Der Verkehrsversuch bringt nicht nur für Radler, sondern auch für Autofahrer, die in der Rheinstraße aus Richtung Westen ins Stadtzentrum unterwegs sind, Veränderungen mit sich. So gibt es an der Kreuzung Rhein-/Hindenburgstraße nur noch eine Geradeausspur sowie eine Links- und Rechtsabbiegerspur.
Auf der Geradeausspur bilden sich in Stoßzeiten seitdem lange Staus. Ähnlich fiel an der Kreuzung Rhein-/Neckarstraße der linke Geradeaus-Fahrstreifen weg. Dort gibt es noch zwei Linksabieger-, eine Geradeaus- und eine Rechtsabbiegerspur, dazwischen der Radstreifen.
Das Straßenverkehrsamt will damit testen, ob durch diese Neuordnung die City von Autos entlastet wird. Konkret, so die Hoffnung, soll dadurch das Verkehrsaufkommen an der Kreuzung Rhein-/Neckarstraße um 15 Prozent gesenkt und auf die Hindenburgstraße/Hügelstraße verlagert werden.
Viele ignorierten die Versuchsstrecke und fuhren weiter auf dem Bürgersteig. Nur eine junge Radlerin begrüßte die neue Route. Dort habe sie mehr Platz und es gebe zum Unterschied zum Radweg auf dem Bürgersteig keine Konflikte mit Fußgängern mehr, sagte sie.
Seit Versuchsbeginn werden Radfahrer ab der Kreuzung Neckarstraße anfangs mit gelben Markierungen auf die Fahrbahn in der Rheinstraße geleitet, die seit jeher für zwei nebeneinander fahrende Autos zu schmal ist. Dann geht es ohne Markierung entlang der am Fahrbahnrand in der Ladezone trotz Verbot parkenden Autos. Gleichzeitig fließt links der Radler einspurig der Kraftfahrzeugverkehr. Etwa 150 Meter vor der Kreuzung mit der Grafenstraße gilt dann absolutes Halteverbot. Dort werden die Radler mithilfe gelber Markierungen und einer kleinen Bordsteinrampe wieder auf den ursprünglichen Radweg auf dem Bürgersteig geleitet. Für Autofahrer gibt es vor der Kreuzung noch eine Geradeaus- und eine Rechtsabbiegerspur.
Der ADFC nannte die neue Radwegführung wegen der Gefahr sich plötzlich öffnender Autotüren "hochriskant". Der Club empfahl Radlern, in der Mitte der Fahrbahn zu fahren, um einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zu geparkten Fahrzeugen halten zu können. In einem Schreiben an die Verkehrsdezernentin weist der Verband darauf hin, dass wegen des Versuchs laut Gesetz auch Kinder ab zehn Jahren auf der verkehrsreichen Straße fahren müssten.
Das beklagt auch Kress: "Soll meine Tochter jetzt zwischen Lkw und aufgehenden Türen fahren?", fragt er in dem Brief an die Dezernentin.
Der ADFC forderte Boczek auf, den Radweg-Versuch spätestens bis Ende der Osterferien abzubrechen und wieder die bisherige Route auf dem Bürgersteig freizugeben. Grän sagte, das "absichtliche Schlagen einer Lücke in das Radwegnetz" sei "ein völlig falsches Signal" an die Radfahrer. Es sei unverständlich, warum ohne erkennbare Vorteile unter Inkaufnahme "überflüssiger Unfallrisiken die Radfahrer zu Versuchskaninchen gemacht" würden.
Die Stadt wollte auf Nachfrage zu der Kritik zunächst keine Stellung nehmen. Verkehrsdezernentin Barbara Boczek hatte zu Beginn des Verkehrsversuchs gesagt, zu den Zielen des Experiments zähle, mehr Platz für Fußgänger und mehr Sicherheit für Radfahrer zu schaffen. "Mit der Neuordnung der mittleren Rheinstraße wollen wir zum einen die Radführung in diesem Abschnitt und im Kreuzungsbereich mit der Neckarstraße optimieren und zum anderen im Zufahrtsbereich der Kreuzung für mehr Sicherheit im Verkehrsablauf sorgen", hieß es.