Nach Asbestfund: Drei Schulen in Darmstadt werden überprüft
Nach dem Asbestfund in einem kaputten Lüftungsstrang der Martin-Behaim-Schule hat die Stadt den Schülern und Lehrern weitere Messungen versprochen - auch in den beiden direkt angrenzenden Einrichtungen des Berufsschulzentrums Nord.
Von Thomas Wolff
Lokalredakteur Darmstadt
In der Martin-Behaim-Schule sind einige Räume immer noch für den Unterricht gesperrt. Ein asbesthaltiges Teil war in einem der Lüftungsschächte entdeckt worden. Foto: Karl-Heinz Bärtl
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DARMSTADT - Nach dem Asbestfund in einem kaputten Lüftungsstrang der Martin-Behaim-Schule hat die Stadt den Schülern und Lehrern weitere Messungen versprochen - auch in den beiden direkt angrenzenden Einrichtungen des Berufsschulzentrums Nord. "Spätestens Montag", sagte Schuldezernent Rafael Reißer (CDU), sollen Fachleute zwei Räume in jeder Schule auf eine Belastung durch Asbestfasern testen, und zwar bei wieder laufender Lüftung. Die Zusage kam nicht ganz freiwillig: Auf der jüngsten Tagung des Schulausschusses sahen sich die Politiker am Dienstagabend mit teils heftiger Kritik und Forderungen konfrontiert; Reißer reagierte mit einigen Zugeständnissen.
Rund 80 Schüler und Lehrer aus allen drei Schulen waren zur öffentlichen Sitzung in der Behaim-Schule erschienen. Erfreut äußerten sich einige Besucher, dass die Politiker so mal Gelegenheit hatten, die stickige Luft im miserabel klimatisierten Schulhaus am eigenen Leib zu erleben.
Spürbar war die Verunsicherung in der Schulgemeinde auch nach der vorläufigen Entwarnung. Die Messungen einer Alsbacher Fachfirma im Auftrag des städtischen Immobilienmanagements IDA hatten keinerlei Belastung in den sieben Räumen ergeben, die an den betroffenen Lüftungsstrang angeschlossen sind.
==Der Weg zur Sanierung== Das in Teilen marode Berufsschulzentrum Nord soll ab Sommer 2018 kernsaniert werden, es wird die größte Bauaufgabe der Kommune sein. Bei der in den Siebzigern geplanten Lernfabrik, in der drei Berufsschulen untergebracht sind, sind Lüftungsanlagen kaputt, auch Elektrik, Wasserleitungen und Sanitäranlagen entsprechen nicht den heutigen Standards. Etwa 5280 Schüler besuchen derzeit das Zentrum. Es soll "riegelweise" bei laufendem Betrieb saniert werden. Schuldezernent Rafael Reißer (CDU) rechnet mit Kosten von "weit mehr als 70 Millionen Euro", sagte er im Schulausschuss.
==Kommentar: Fast sicher== Von Thomas Wolff
Vieles spricht dafür, dass in den Korridoren des Berufsschulzentrums Nord keine krebserregenden Asbestfasern herumfliegen. Die jüngsten Messungen haben einen Wert von null ergeben, sagen die Fachleute. Gut, dass dennoch weiter getestet wird, zur Abwechslung mal bei eingeschalteter Lüftung. Was dabei aufgewirbelt werden könnte, das besorgt Schüler wie Lehrer zu Recht. Politiker und Verwaltungsleute tun gut daran, diese Ängste nicht herunterzuspielen - trotz des anscheinend geringen Risikos. Wenn Fachdezernent Reißer den Bürgern im Schulausschuss nun erklärt, man sei "schon auf der fast sicheren Seite", klingt das allerdings wenig beruhigend. "Fast sicher", was heißt das? Derart vage sind viele Auskünfte, die der Bürgermeister im Fall des Berufsschulzentrums gibt. Klar, dass die Betroffenen an seinem Management zweifeln. Und Böses ahnen für die kommende Bauzeit. Dass die Schüler innerhalb des Gebäudes einfach umgesetzt werden können, wie es der Plan vorsieht, ist schwer zu glauben: Schon für den akuten Asbest-Notfall reichten die Räume nicht aus. Der Test ist misslungen. Die Planung muss nachgebessert werden, und sie muss sicher funktionieren für alle Schüler und Lehrer. Nicht nur fast.
thomas.wolff@vrm.de
Messungen an sämtlichen Lüftungsschächten gefordert
Eine Schülerin wollte wissen: "Warum wird nur in sieben Räumen gemessen und nicht in der ganzen Schule?" Für sie sei es ein "Unding, dass man die Schüler 20 Meter weiter schickt und behauptet, da ist es sicher". Eine Lehrerin fragte: "Wann werden die anderen Lüftungsschächte untersucht?"
Man könne "nicht alle Kanäle durchleuchten", erklärte Bernd Neis von der IDA. 1993 seien alle asbesthaltigen Feuerschutz-Klappen an den Schächten inspiziert worden, es habe damals "Sicherungsmaßnahmen" gegeben. Dadurch seien mögliche freie Asbestfasern gebunden worden. Er habe "keine Sorge, dass hier irgendjemand in den letzten Jahren einer Gefahr ausgesetzt war". Reißer: "Wir sind schon auf der fast sicheren Seite."
Stephanie Jacobi, Leiterin der Behaim-Schule, erwartete gleichwohl, "dass Signale gesetzt werden für die Schüler und Lehrerschaft". Sie schlug "Stichproben in ganz unterschiedlichen Räumen" vor; "dann bekäme ich wieder Ruhe ins Haus". Der Dezernent sagte dies spontan zu - auch für die Heinrich-Emanuel-Merck-Schule und die Friedrich-List-Schule, die unter dem gleichen Dach arbeiten.
Für die Schüler und Lehrer bedeutet dies: weiter improvisieren. Seit dem Asbestfund werden 20 Klassen andernorts unterrichtet - teils im benachbarten Bürgerpark, bis hin zur Skater-Bahn. Das reicht aber nicht aus. Sechs Unternehmen boten spontan Räume an, von der IHK bis zur Telekom. Für manche Lehrer ist diese Notlösung weiterer Anlass zur Sorge.
Denn wenn das gesamte Schulzentrum ab Sommer 2018 saniert wird, sollen die Schüler aus dem jeweiligen Bauabschnitt auf die anderen Schulen verteilt werden, beginnend mit der Behaim-Schule, 2200 Schüler und 110 Lehrer stark. Das könnte eng werden, ahnt Ralf Drage, Personalrat der Merck-Schule: "Wir haben hier heute schon Leben von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr, mit ein paar Lücken." Man brauche "einen Pufferraum zum Ausweichen", nicht nur "eine Minimalversion". Eine Schülerin fragte: "Wo sollen wir denn alle hin?"
Für die Bauzeit ist ein Schichtbetrieb geplant
Das Platzproblem versuchen sogenannte "Interimsplaner" derzeit mit den Schulleitungen zu lösen. Behaim-Direktorin Jacobi plant derzeit einen entsprechenden Schichtbetrieb. Dabei würden zwölf Schulstunden über den ganzen Tag verteilt. "Auch Samstagsunterricht schließen wir nicht aus", sagt sie auf Nachfrage. Freilich: Schon heute herrscht an der Behaim-Schule Betrieb bis in die Abendstunden.
Dass alles Planen und Verschieben nicht reichen könnte, schwant offenbar auch dem Dezernenten. Eine komplette Auslagerung schließt Reißer zwar aus; "ich wüsste nicht, wo wir das in Darmstadt machen sollten." Zugleich versprach er: "Es wird geprüft, ob wir vielleicht noch ein ganz kleines Interimsgebäude bauen."
Während der mehrjährigen Bauzeit sollen Schüler und Lehrer vor umherfliegendem Asbest besonders geschützt sein, versprach Reißer. Der jeweilige Bereich werde "luftdicht abgeschlossen". "Sie können sicher sein", betonte der Dezernent, "dass Sie da mit nichts kontaminiert werden."