Mit Corona infiziert: Wann bin ich ein Notfall?

aus Coronavirus-Pandemie

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 Auch milde Verläufe „beeinträchtigen die Funktionen von Herz, Lunge und Nieren“. Während sich bei der Covid-Gruppe die Leistungsfähigkeit des Gehirns zwar nicht verschlechterte, zeigte sich bei ihr „ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen sowie ein leicht erhöhter Atemwiderstand“.  Symbolfoto: drubig-photo - stock.adobe
© Symbolfoto: drubig-photo - stock.adobe

Wer in Quarantäne ist und schwere Covid-Symptome entwickelt, muss schnell handeln. Das zeigen Erfahrungsberichte von Patienten und Angehörigen aus der Region.

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DARMSTADT. In Darmstadt haben sich mehr als 13.199 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert, 174 sind gestorben. Testen und Impfen beherrschen seit Wochen die Schlagzeilen. Doch was, wenn man sich infiziert hat? Symptome entwickelt? Es einem schlecht geht? Wie die Erfahrungen von Betroffenen und Angehörigen zeigen – ihre Namen wurden auf ihren Wunsch für diesen Bericht von der Redaktion geändert – kann es für Ungeimpfte und Geimpfte mit Vorerkrankungen lebenswichtig sein, dass sie möglichst schnell behandelt werden.

In vielen Fällen fängt es so an: Man hat Husten, Schnupfen, Halsweh und macht zur Sicherheit einen Selbsttest, der positiv ausfällt. Ist der darauffolgende PCR-Test auch positiv, begibt man sich zehn Tage in Quarantäne. In Darmstadt meldet sich das Gesundheitsamt in solchen Fällen schriftlich per Post, in der Regel landet das Schreiben zwei oder drei Tage später im Briefkasten. Die Empfehlung des Amtes: Wenn sich die Symptome verschlimmern und es zu Atemnot kommt, soll man einen Arzt aufsuchen oder den Rettungsdienst alarmieren. Das RKI rät Infizierten, sich in der Quarantäne selbst hinsichtlich der Krankheitssymptome zu beobachten und die Symptome auch genau zu dokumentieren.

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Was sind schlimme Symptome?

Doch was sind schlimme Symptome? Martina Müller (48), geimpft und geboostert, fühlte sich Ende Dezember matt und abgeschlagen. Sie versuchte, beim Gesundheitsamt jemanden zu finden, der ihre Fragen beantwortete. Die Hotline war ständig besetzt, das Telefon beim Hausarzt auch. Erst einen Tag darauf hatte sie den Arzt endlich am Telefon. „Er fragte nach meinen Symptomen, wünschte gute Besserung und schrieb mich eine Woche krank, das wars.“ Über mögliche Komplikationen hat sie sich online informiert. „Ich fühlte mich alleingelassen“, sagt Müller.

Auf der überregionalen Online-Plattform der Techniker Krankenkasse, sind ganz ähnliche Geschichten zu lesen. Dort schildern Covid-19-Patienten von ihren Erfahrungen mit Impfungen und mit Krankheit. Die Berichte sind anonymisiert und zeigen Schwachstellen des Gesundheitswesens auf: Eine Frau mit einer Autoimmunerkrankung findet keine Anlaufstelle, um sich über Impfnebenwirkungen informieren zu können, ein Mann klagt über die ständig belegten Corona-Hotlines und ein Ehepaar erzählt davon, wie sie vom Hausarzt ans Gesundheitsamt und vom Amt wieder an den Hausarzt verwiesen wurden.

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Plötzlich geht alles ganz schnell

Wenn Covid-19-Kranke ihre Situation falsch einschätzen, kann das lebensgefährlich sein, wie das Beispiel von Wilfried Hauser (62) zeigt. „Er war davon überzeugt, dass er aufgrund seiner Fitness die Infektion schnell wegsteckt“, erzählt seine Tochter Annette. Ihr Vater machte viel Sport. Die Impfung hatte er vor sich hergeschoben. „Er war kein Impfgegner, er machte sich Sorgen um Nebenwirkungen“, erzählt seine Tochter. Erst hatte er auch nur leichte Symptome, dann ging alles sehr schnell: Fieber, Durchfall, Atemnot. Seine Lebensgefährtin rief den Notarzt. Wilfried Hauser kämpfte auf der Intensivstation fünf Wochen um sein Leben. Er starb Ende Oktober.

Seine Tochter beschäftigt immer noch, dass ihr Vater lange nicht gemerkt hat, in welch lebensbedrohlicher Situation er sich befand. „Mit einer umfangreichen Aufklärung der Infizierten könnten einige Pflege- und Todesfälle verhindert werden“, so ihre Kritik. In der Quarantäne zuhause seien wertvolle Tage vergangen, die besser zur Therapie genutzt worden wären. Sie schlägt vor, dass jeder Covid-19-Infizierte, unabhängig vom Alter, von Vorerkrankungen, Impfstatus und Symptomen, mit Hilfsmitteln wie Antiobiotika, Heparin und einem Pulsoxymeter zur Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung ausgestattet werden sollte.

Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) sehen eine ambulante Prophylaxe auch tatsächlich vor, allerdings nur in besonderen Fällen: Wenn sich der Allgemeinzustand deutlich verschlechtert, wenn die Patienten über 65 sind oder ein Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, etwa, weil sie an Adipositas, Diabetes, Hypertonie, COPD, Herz- und Nierenkrankheiten oder Immunsuppression leiden. Verschlechtern sich die Werte, so die DEGAM, sei eine stationäre Einweisung zu erwägen.

Was rät ein Mediziner?

Was rät ein Mediziner? Julian Wheeler arbeitet auf der Covid-19-Station des Alice-Hospitals. Fällt ein Test positiv aus, sollte man Kontakt zum Gesundheitsamt und zum Hausarzt aufnehmen „Außerdem sollte man sich in der dann bestehenden häuslichen Quarantäne auch bei nur leichten Symptomen schonen“, empfiehlt Wheeler. Falls im Verlauf schwere Symptome wie Luftnot, nicht beherrschbarer Husten und hohes Fieber auftreten, sei „gerade bei Patienten mit Risikofaktoren eine Behandlung im Krankenhaus notwendig“.

Aktuell werde für Patienten, denen ein schwerer Verlauf droht, eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern empfohlen. Eine Impfung – vor allem eine Booster-Impfung – könne verhindern, dass die Covid-19 Erkrankung einen solch schweren Verlauf nimmt. „Der Booster ist momentan das wichtigste und beste Mittel gegen die Infektion und zur Vermeidung von Long-Covid“, so Wheeler.