Das neue Innovationszentrum der Firma Merck in Darmstadt hat mit seiner beeindruckenden Innenarchitektur wenig mit einem üblichen Großraumbüro gemein. Die sechs Ebenen sind wie eine Origami-Figur entworfen und ergeben eine auseinandergezogene Spirale. Der Effekt: Die Etagen sind zueinander nicht abgegrenzt, das ganze Gebäude ist ein offener, transparenter Raum.
Von Patrick Körber
Leiter Lokalredaktion Darmstadt und Südhessen
Die Ebenen sind als Spirale gebaut, sodass es keine Begrenzung der Stockwerke gibt. Die Offenheit in der Architektur steht für den offenen Ideenaustausch. Foto: Torsten Boor
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DARMSTADT - Etwas schnoddrig könnte man es als ein einziges Großraumbüro bezeichnen, da Einzelbüros in dem neuen Innovation Center (Innovationszentrum) von Merck tabu sind. Doch hat der Neubau an der Frankfurter Straße mit seiner beeindruckenden Innenarchitektur wenig mit einem üblichen Großraumbüro gemein. Die sechs Ebenen sind wie eine Origami-Figur entworfen und ergeben eine auseinandergezogene Spirale. Der Effekt: Die Etagen sind zueinander nicht abgegrenzt, das ganze Gebäude ist ein offener, transparenter Raum, "in dem man sich permanent begegnet", sagt Merck-Direktor und Architekt Jochen Renner.
Drei Jahre Vorplanung, zwei Jahre Bauzeit. Das Projekt, das 69 Millionen Euro kostet, sei voll im Zeit- und Kostenplan, sagt Renner. Pünktlich zum 350. Geburtstag von Merck am Donnerstag, 8. März, wenn der Vorstand die neueste Bilanz präsentiert, wird der Bau fertig. Die offizielle Einweihung folgt im Mai. Ursprünglich war das vollverglaste Gebäude als klassisches Verwaltungsgebäude geplant.
Doch die Unternehmensphilosophie hat sich geändert und damit auch die Arbeitsweise. Im Innovation Center sollen Start-up-Unternehmen auf Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen von Merck treffen. Mit dem Effekt, dass beide Seiten voneinander lernen. So ziehen in den kommenden Tagen und Wochen zehn Start-up-Unternehmen ein, die unter 500 Bewerbungen aus 61 Ländern ausgewählt worden sind. Sie alle arbeiten in Teams mit Merck-Mitarbeitern von den weltweiten Standorten zusammen.
ZAHLEN & FAKTEN
Die sechs Ebenen haben eine Nutzfläche von 7100 Quadratmetern (das ist so groß wie ein Fußballfeld). Die Bauzeit beträgt zwei Jahre, die Baukosten belaufen sich laut Merck auf 69 Millionen Euro. Es wurden und werden Merck-Materialien verbaut, etwa bei LED-Leuchten oder Fensterscheiben, die sich selbst verdunkeln (werden später eingebaut).
Seit Programmstart 2015 wurden 40 Start-ups aufgenommen. Die offizielle Einweihungsfeier ist am 3. Mai.
Die Merck-Angestellten können sich für diese Arbeit am Projekt bewerben, "ich kann die Mitarbeiter dann anfordern", sagt der Chef des Innovation Centers, Michael Gamber. Bei Bedarf stellt Merck auch eine Wohnung. Mehrere Monate bis zu einem Jahr entwickeln die Teams zusammen neue Ideen, arbeiten bestehende Ansätze weiter aus bis zur Produktreife. Jedes Start-up erhält 50.000 Euro, wobei Gamber betont, dass es den Neugründungen weniger ums Geld, als um die Zusammenarbeit mit Merck gehe - um den Wissenstransfer. Merck halte dann über fünf Jahre eine stille Beteiligung an dem Unternehmen. Ein langfristiges Invest sei nicht vorrangiges Ziel des Innovation Centers.
Aus dieser Zusammenarbeit sind ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle entstanden. Einem Start-up ist es beispielsweise gelungen, OLEDs (organische Leuchtdioden) auf Papier zu drucken. So könne man beispielsweise ein auf Papier gedrucktes Autorücklicht tatsächlich leuchten lassen, berichtet Gamber. Ein weiterer Erfolg dieser Arbeitsweise, die 2015 eingeführt wurde, ist eine künstliche Augenlinse (Licrieye), die sich im Gegensatz zu herkömmlichen Linsen nachjustieren lässt und somit eine 100-prozentige Wiederherstellung der Sehrkraft ermöglicht.
Am Anfang werden 130 bis 160 Menschen in dem Innovationszentrum arbeiten. Da alle Schreibtische, Stühle und Schränke auf Rollen sind, können die Teams sich ohne großen Aufwand ihren eigenen Arbeitsbereich zusammenschieben. Laptops und kabelloses Arbeiten sind ohnehin Standard. Die Mitarbeiter haben Zugriff auf etliche Datenbanken und eine Multimedia-Bibliothek. Die Arbeitsinseln werden abgewechselt von Sitzecken, einem Tischkicker - um Kreativität und Kommunikation auch in gemütlicher Atmosphäre zuzulassen.
Im sechsten Geschoss gibt es sogar einen Erholungsbereich, wo die Mitarbeiter auf Sitzsäcken lümmeln können. Ebenfalls in der obersten Etage ist der sogenannte Makerspace, eine offene Werkstatt, wo mit Hilfe von 3D-Scannern, 3D-Druckern, Laserschneidemaschinen und ganz normalem Werkzeug erste Prototypen hergestellt werden können.
Abgerundet wird das Innovationszentrum mit dem neuen Mitarbeiterrestaurant, das neben dem Innovationszentrum gebaut wurde, wo es an mehreren Theken zahlreiche Gerichte von Italienisch bis Asiatisch gibt.