Etwa 20 erwachsene Katzen, 16 Katzenbabys, vier davon tot, sind in Darmstadt gefunden worden. "Die Kätzchen sind verhungert", sagt Anja Pöllner vom Tierheim. Die Tiere - alles ungezähmte Katzen - waren auf einem verwahrlosten Gartengelände in der Nähe des Marienhospitals von dem Pächter nur in äußerst unregelmäßigen Abständen mit Hundefutter versorgt worden.
Von Sabine Schiner
Lokalredakteurin Darmstadt
Menschenscheu: Die kleine Katze wird im Darmstädter Tierheim aufgepäppelt. Fotos: André Hirtz
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DARMSTADT - Eine traurige Streunerbilanz: Etwa 20 erwachsene Katzen, 16 Katzenbabys, vier davon tot, gefunden auf einem Grundstück im Steinbergviertel. "Die Kätzchen sind verhungert", sagt Anja Pöllner vom Darmstädter Tierheim. Die Tiere - alles ungezähmte Katzen - waren auf einem verwahrlosten Gartengelände in der Nähe des Marienhospitals von dem Pächter nur in äußerst unregelmäßigen Abständen mit Hundefutter versorgt worden.
"Solche Fälle kommen immer wieder vor. Leider erfahren wir davon viel zu spät", sagt Anja Pöllner. Katzen vermehren sich rasant. Die Tiere sind mit sechs Monaten geschlechtsreif, Katzen können bis zu zwölf Junge im Jahr werfen. Je länger man tatenlos zusieht, so die Katzenexpertin, desto mehr Tiere werden es. "Dann wächst einem das schnell über den Kopf." Unter den 20 ausgewachsenen Katzen im Steinbergviertel waren mehrere trächtig, eine hatte gerade Junge geworfen. "Vermutlich war der Mann mit den Tieren völlig überfordert", sagt die Katzenpflegerin. Und höchstwahrscheinlich fehlte ihm auch das Geld, um die vielen Katzen versorgen zu können.
Das Tierheim ist eher zufällig auf das Katzenrudel aufmerksam geworden. "Es wäre schön, wenn wir in solchen Fällen umgehend benachrichtigt werden würden", erläutert Anja Pöllner. Nur dann kann das Rettungsszenario greifen. Im Fall der Streuner im Steinbergviertel wurde Edda Obst eingeschaltet.
==Kommentar: Katzenjammer==
Von Sabine Schiner
Das Beispiel mit mehr als 40 herrenlosen Katzen, um die sich die Mitarbeiter des Tierheims gerade kümmern müssen, zeigt: Das Problem ist mit der Katzenschutzverordnung nicht vom Tisch. Seit zwei Jahren müssen in Darmstadt alle Katzen, die draußen frei herumlaufen, von ihren Besitzern kastriert und registriert werden.
Ziel ist, das Katzenelend zu reduzieren und zu verhindern, dass die Zahl der Streuner weiter zunimmt. Doch die Verordnung alleine kann das Problem nicht lösen. Zwar kann das Ordnungsamt theoretisch bis zu 1000 Euro Strafe verhängen, wenn Katzenbesitzer den Vorgaben nicht nachkommen, doch dazu müssten sie die Streuner einfangen und auch noch ein mobiles Chiplesegerät parat haben, um mehr über die Tiere herauszufinden.
Die Intention ist äußerst lobenswert, doch ohne die Mitarbeit der Bevölkerung kann das Problem der Streunerkatzen nicht gelöst werden. Jeder, dem hungrige, scheue und krank aussehende Tiere in der Stadt auffallen, tut Gutes, wenn er seine Beobachtungen sofort dem Tierheim meldet. Die Mitarbeiter wissen am besten, was dann zu tun ist. Dazu braucht es nur den Griff zum Telefonhörer - so einfach kann Tierschutz sein.
sabine.schiner@vrm.de
==Das Tierheim hilft==
Seit Juli 2015 ist die Darmstädter Katzenschutzverordnung in Kraft. Danach müssen alle Freigänger-Katzen kastriert und registriert werden. Halter, die die Vorschrift nicht befolgen, begehen eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 1000 Euro geahndet werden kann.
Die Verordnung ist ein Versuch, gegen die Vermehrung von herrenlosen Katzen vorzugehen. Das Fazit des Tierheims ist positiv: Die Zahl der Registrierungen nimmt zu, die Zahl der Fundkatzen ab. Trotzdem werden immer wieder Katzenrudel mit kranken und unterernährten Tieren in den Stadtteilen aufgefunden. "Die Verordnung hilft nur, wenn uns Katzenstreuner auch rechtzeitig gemeldet werden", heißt es beim Tierheim. Die Einrichtung übernimmt in diesen Fällen Kastration und Registrierung sowie bei Bedarf auch die tierärztliche Behandlung.
Weitere Informationen im Tierheim, Alter Griesheimer Weg 199, Telefon 06151 891470 oder im Internet auf www.tsv-darmstadt.de.
Die Tierfreundin engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Tierheim und hat sich darauf spezialisiert, mit Hilfe von Fallen verwilderte Katzen einzufangen, die anschließend im Tierheim kastriert und danach wieder ausgewildert oder in Einzelfällen auch vermittelt werden. Wenn Sie zu einem Einsatzort gerufen wird - am Rhönring hat sie vor kurzem zwölf Katzen eingefangen - stellt sie den Tieren Futter hin, setzt sich dann ins Auto und schaut, wie viele Katzen zum Futternapf kommen und wohin sie sich verziehen, wenn sie gefressen haben. "Das ist alles sehr zeitintensiv", erzählt sie.
Es komme vor, dass sie ganze Abende mit Warten und Beobachten verbringt. "Wenn ich dann die Fallen aufstelle, bleibe ich auch immer in der Nähe, ich lasse die Tiere nicht alleine", so Edda Obst. Die Fangaktion sei ein Riesen-Stress für die Tiere. Sie bringt sie deshalb - so schnell es geht - ins Tierheim, wo sie auch tierärztlich versorgt werden. Streunende Katzen sind oft nicht nur unterernährt, sondern auch krank. Katzenseuche, Katzenschnupfen, Katzenaids, Tollwut - die Liste ist lang.
Die Katzenfängerin ist immer noch entsetzt über die Zustände, unter denen die Katzen im Garten nahe des Marienhospitals gelebt haben. "Da war alles vermüllt", erzählt sie. Der Pächter selbst lebe dort ohne fließend Wasser und Strom. Sie schätzt, dass noch weitere vier bis sechs Tiere dort hausen. Derzeit werden sie von ihr nur gefüttert. Die Katzen kommen kaum aus ihren Verstecken heraus: "Ich versuche nächste Woche nochmal mein Glück."
Der Fund aus dem Steinbergviertel bringt das Tierheim platz- und personalmäßig an die Grenzen. Etwa 80 Tiere leben im Katzenhaus, darunter sind viele Jungtiere, die von den Mitarbeitern aufgepäppelt werden. Und so schnell wird sich an der angespannten Situation im Tierheim wohl auch nichts ändern. Verwilderte Katzen sind nur schwer zu vermitteln: Sie verstehen sich zwar super mit Artgenossen, sind Menschen gegenüber aber scheu und kratzbürstig.
"Streichelkatzen sind das nicht", sagt Edda Obst. Manche können als Zweitkatze vermittelt werden, da sie in der Regel gut sozialisiert sind. Ansonsten werden sie nach Möglichkeit wieder dorthin zurückgebracht, wo man sie eingefangen hat. Dort werden sie dann von ehrenamtlichen Helfern umsorgt.
Auch Edda Obst betreut mehrere Futterstellen in Darmstadt. Lieber wäre ihr allerdings, wenn die Streuner auf einem geschützten Grundstück oder auf einem Bauernhof Unterschlupf finden könnten. Wo es Menschen gibt, die sie versorgen und regelmäßig füttern. "Im Gegenzug können sie ja Mäuse fangen", sagt Edda Obst.