Das sinnliche Klingeln aneinanderstoßender Sektgläser erfüllt das Bessunger Forstmeisterhaus gegen 18 Uhr. Die lange Tafel im Saal wird festlich eingedeckt. Verheißungsvoll...
BESSUNGEN. Das sinnliche Klingeln aneinanderstoßender Sektgläser erfüllt das Bessunger Forstmeisterhaus gegen 18 Uhr. Die lange Tafel im Saal wird festlich eingedeckt. Verheißungsvoll klirren Bier- und Weinflaschen in Kartons, die gerade hereingeschleppt werden. Im Werkraum schiebt man wuchtige Bänke herum, karrt einen Induktions-Herd herein, rollt eine Tasche mit gut geschärften Profi-Messern aus.
Kisten mit Gemüse und duftenden Kräutern, Lammfleisch, Kalmaren und anderen Köstlichkeiten werden auf zwei Küchenräume verteilt. Die ersten Bierflaschen werden zischend geöffnet, allgemeines Prosit und Hallo: Hier und heute kochen Männer - und sonst niemand. Darauf schon mal ein schnelles Helles, quasi als Grundlage. Könnte spät werden heute - wenn nicht gar Morgen.
Am Herd steht hier der "Club kochender Männer", einmal im Monat, und das schon seit 40 Jahren. Klingt nach bodenständiger Küche, nach Eintopf und Kochkäs-Schnitzel, ist aber ein stilbewusstes Grüppchen aller Altersklassen. Peter Hovurka, langjähriges Mitglied, hat sich den Kittel ordentlich zurechtgeknöpft, die Zutaten für seine gefüllten Kalmare vor sich ausgebreitet. "Hier wird nicht gekocht wie bei Mutti", hatte er dem Gast schon vorab erklärt.
Bei allem Respekt: Hovurka erinnert sich daran, wie es seine Mutter früher "manchmal an der Sorgfalt etwas fehlen ließ", sagt er, während er die Petersilie mit ruhigen Schnitten kleinhackt. Klar, als Hausfrau und Mutter dreier Kinder habe man halt einiges um die Ohren. Der Sohn schaute sich die Grundlagen ab und zog aus, um höhere Küchenweihen anzustreben.
Ein Sechs-Gänge-Menü in Gemeinschaft zubereiten
19 Uhr, alle Männer sind auf ihren Posten am Schnippeln. Achim Fischer, der "Löffelführer" dieses Abends, ruft im Saal zum Amuse gueule; Hummus mit frischem Weißbrot. Im Kreis stehend stoßen die Herren gutgelaunt mit Riesling-Sekt an, naschen Hummus, nehmen vom Löffel-Führer ihre Order entgegen. Einen türkischen Abend hat Fischer ausgeheckt. Vom "Pembe Sultan Salatsi" mit roter Bete über gefüllte Kalmaren und ein Lamm-Güvec bis zum Dattelkonfekt hat er ein Sechs-Gänge-Menü geplant. Drunter macht es der Club selten: "Das ist ja der Reiz", sagt Fischer, "etwas zu kochen, das man allein nicht hinbekäme." Drei Tage hat er eingekauft und zwei bis drei Stunden Kochzeit für alles zusammen errechnet. Dann ran an die Töpfe.
Der Kochclub ist eine Schweizer Gründung von 1959, erzählt Peter Hovurka, dieweil er die Kräuterfüllung für seine Kopffüßler schön cremig rührt. Am Herd zu stehen, "das galt damals als unmännlich". Daraus machten sich einige Herren einen Spaß. Sie gründeten die "Confrérie Culinaire", eine kulinarische Bruderschaft. Schon 1960 kam der Darmstädter Zweig im Schloss Kranichstein zusammen. "Ein Gaudium" sei das Ganze anfangs gewesen, sagt Hovurka. Mit dem Hochhalten der Kochkultur ist es den Herren aber ernst. Warum ohne Frauen kochen? Da wird es still unter den Brüdern. "Das ist aus der Tradition", sagt Hovurka.
20.15 Uhr, Löffelführer Fischer knetet Hack und Bulgur zu kleinen Kugeln. Wie liegt er im Zeitplan? "Ich bin ein bisschen hinten dran", sagt der Ingenieur, der tagsüber am neuen Ringbeschleuniger werkelt. Den Verzug nimmt hier niemand krumm. "Es ging auch schon mal bis halb zwei", sagt Georgi Kojouharoff, im übrigen Leben Arzt, ansonsten Chef der Männerkochclubs. Noch lacht er. Später wird er dem Löffelführer aber einen kleinen Rüffel verpassen. Manches hätte man früher vorbereiten können.
20.30 Uhr, eine Frau erscheint in der Küche. Nanu? "Eine Küchenhilfe", erklärt Mark Herz, der gerade eine minzige Linsensuppe rührt. Die Hilfe, eine zupackende Bessungerin, mag ihren Namen nicht nennen, scheint aber an vielen Posten hochwillkommen. Sie räumt schmutziges Geschirr zusammen, spült Messer, schmeckt Fischers Tartarbällchen ab: mehr Salz, mehr Pfeffer, mehr Kreuzkümmel! Der Löffelführer folgt ihrem Rat, lächelt leicht verlegen: "Ohne sie", sagt er, "würden wir hier im Chaos versinken."
Würzige Orient-Düfte ziehen durchs Haus
Von Chaos kann freilich keine Rede sein. Alle Posten schnippeln mit Muße, viele sind mit Kennermiene am Rühren, Raspeln, Köcheln. Würzige Orient-Düfte ziehen durchs Haus. So dürfte sich Fischer den Abend vorgestellt haben, oder so ähnlich. Um kurz nach 21 Uhr liegt er selbst eine Stunde hinter seinem Zeitplan. "Man lernt immer was dazu", sagt Kochbruder Herz.
Endlich: Die Tartarbällchen werden gereicht, schön auf einem Salatblatt angerichtet. Die Brüder nicken anerkennend, vielleicht auch ein wenig hungrig. Drei Stunden sind flugs vergangenen. Fünf Gänge harren noch ihrer Vollendung. Es ist noch Bier da.