"Little Home" baut Wohnbox für Obdachlose in Darmstadt
Auf dem Luisenplatz steht seit Sonntagmittag eine Holzbox, die nun an einen an einen Obdachlosen verschenkt wird.
Von Sibylle Maxheimer
Ein mobiles Häuschen für Obdachlose: Viele Darmstädter helfen spontan mit beim Aufbau eines "Little Homes" auf dem Luisenplatz am Samstag. Foto: Dirk Zengel
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DARMSTADT - Martin, Clara und Momo sitzen oben auf dem Häuschen und hämmern, was das Zeug hält, denn dem "Little Home" fehlt noch die schützende Dachpappe. Unten werkeln Patrick und Kilian Schrack, verpassen dem 3,2 Quadratmeter großen Holzhaus die Wärmeisolierung, die aus "Rettungsdecke und Styropor" besteht.
Der 42 Jahre alte Hotelfotograf Sven Lüdecke ist Initiator dieser "schöner schenken"-Idee, mit der er Obdachlosen zu einem Dach über dem Kopf verhelfen will. In den Häuschen, die 320 Zentimeter lang, 190 Zentimeter hoch und 120 Zentimeter breit sind, finden Matratze, Campingtoilette, Arbeitsfläche mit Waschbecken, Regal, Erste-Hilfe-Set und Feuerlöscher Platz. Dieser trockene Schutzraum hilft Wohnungslosen zunächst einmal, von der Straße zu kommen.
Immer wieder bleiben Menschen neugierig stehen
Sonntagmittag stellte ein Little-Home-Team eine solche Wohnbox auf dem Luisenplatz her, die dann an einen Obdachlosen verschenkt wird. Spontan packten auch ein paar fremde Leute mit an, erzählt Marc Petersen, der das Projekt vor allem in Niedersachsen mit vorantreibt. Diese Boxen böten einen Rückzugsort, wo sich Wohnsitzlose mal sammeln könnten. "Für mich ist das Häuschen ein Sprungbrett gewesen, ich hab' jetzt eine Wohnung und einen Ausbildungsplatz zur Bäckereifachverkäuferin, bei mir läuft's", betont die 23 Jahre alte Nicole, die sechs Jahre auf der Straße lebte. Als sie das Häuschen bekam, schlief sie prompt zwei Tage durch, denn auf der Straße, mit Schlafsack und mit Isomatte, wacht man immer mit einem offenen Auge. Ähnliches erzählt der 38 Jahre alte Patrick, der viele Jahre "Platte machte", ebenfalls dann Hüttenbesitzer war. Auch seine Situation verbesserte sich dadurch - zunächst. Immer wieder erlebte er Rückschläge, weil er Mist baute, sich die Freundin trennte. Heute ist er wieder zuversichtlich, lebt in Chiemsee, hat ein Zimmer und auch Arbeit.
SPENDEN
Wer sich für das spendenfinanzierte "Little-Home-Projekt" interessiert, kann sich im Internet unter der Adresse www.little-home.eu informieren. Wer sich finanziell beteiligen möchte, kann dies mit einer Spende tun: Sparkasse Köln-Bonn - IBAN DE 86 3705 0198 1934 1151 38. (max)
Sven Lüdecke rechnet es den beiden hoch an, dass sie extra nach Darmstadt gekommen sind, um beim Bauwochenende mitzuhelfen. Immer wieder bleiben Menschen neugierig stehen, möchten erfahren, was es mit der Hütte auf sich hat. Nicole zieht nervös an ihrer Zigarette, denn ein Mann habe sie gefragt, ob sie überhaupt eine Baugenehmigung hätten. "Das Häuschen steht auf Rollen, ist daher kein Bauwerk", weiß sie aus Erfahrung. Währendessen hämmert Rechtsanwalt Patrick Schrack die Wandverkleidung fest und erzählt dabei, dass er Sven Lüdecke im Fernsehen sah und sofort wusste: "Das brauchen wir auch in Darmstadt". So nahm er Kontakt auf, die Sache kam ins Rollen. Dasselbe wünscht sich Anselm Rolffs für die Stadt Siegen. Er ist nicht nur gekommen, damit ihm jetzt die Schweißperlen über die Stirn laufen, sondern, um die Öffentlichkeit für das Projekt zu interessieren. Es ist beeindruckend, was Nicole und Patrick berichten, was mit den Häuschen für sie in Bewegung kam. "Es hat mir Motivation gegeben", erzählt Nicole und Patrick gibt stolz kund, dass Sven ihm zutraue, "ein Team zu leiten": Bald stünde München an, wo er auch mithilft, ein Little Home zu fertigen. Der ehemalige Wohnsitzlose berichtet aber auch von Zeiten, in denen er Sven bös mitgespielt habe, heute seien sie aber Freunde.
1050 Euro kostet so ein Heim, aus druckimprägnierten und damit wetterbeständigen OSB-Platten, Styropor, Fenster und Tür. Sven Lüdecke ist auf Spenden angewiesen, die gar nicht so lange auf sich warten lassen: Bestens gelaunt drücken Michael (30) und Maria (26) Euroscheine in die Spendenbox und sagen, dass sie von den Hammerschlägen angelockt wurden. "Ich finde es toll, dass hier Menschen so uneigennützig für andere etwas Gutes tun", betont Michael und das wollten sie auch, sind schnurstracks zur Bank, um Geld zu holen. Fotograf Lüdecke gesteht ein, dass ihm anfangs nicht bewusst gewesen sei, "was wir da bewegen". Das Team trage viel Verantwortung, gegenüber den Obdachlosen und der Gesellschaft. "Es war ein steiniger Weg, der aber zu viel Freude führte." 63 Häuschen wurden gebaut, 22 Obdachlose in Mietverhältnisse vermittelt und 16 fanden Arbeit.