Ein Schäferhund hat eine Darmstädterin verletzt, doch sie blitzt bei der Halterin und der Polizei ab. 118 Tiere gelten in Darmstadt als gefährlich.
DARMSTADT. Daniela Scholaske hatte ihre dickste Winterjacke an und noch eine Wolljacke darunter, aber der Biss in die Brust war so heftig, dass sie bis heute eine Wunde beklagt und immer noch geschwollene Lymphknoten. Dabei ist es einen Monat her, dass sie ein weißer Schäferhund gebissen hat. Bis heute ist nicht klar, was mit ihm oder seiner Halterin ist. Und die Gebissene fragt sich: "Was, wenn wieder was passiert?"
Es war am 29. Januar gegen 19 Uhr, als die 39 Jahre alte Darmstädterin mit einer Freundin auf dem Weg in das Restaurant "Shiraz" im Lucasweg war. Was dann geschah, schildert die studierte Psychologin so: Der Hund habe direkt neben dem Eingang gelegen. "Die Stelle war sehr eng." Als sie nahe an ihm vorbeigehen musste, habe sie kurz hingeschaut. "In dem Moment ist er ausgetickt": Er sei bellend an ihr hochgesprungen, habe mit den Pfoten auf ihren Schultern gestanden und sie gebissen. "Ich war total geschockt, stand da wie zur Salzsäule erstarrt."
Die Halterin habe frech reagiert. Erst nach einer Weile habe sie den Hund zurückgezogen und behauptet, dass er nicht gebissen habe. "Ich hatte einen Speichelfleck auf der Jacke", erzählt Scholaske. "Und es hat wehgetan." Doch die Frau habe nicht mit sich reden lassen. "Was soll ich da jetzt machen", habe sie nur gesagt. Sie sei selbst schuld, wenn sie so nah vorbeigehe.
Geschockt ist Scholaske mit ihrer Freundin erst mal ins Restaurant gegangen und hat auf der Toilette nach der schmerzenden Stelle geschaut. "Man sah die Zahnabdrücke, es war sehr gequetscht." Eine Quetschwunde habe man ihr im Anschluss auch im Klinikum attestiert. Am nächsten Tag sei die Wunde aufgegangen und Flüssigkeit rausgelaufen. "Mir tut die Brust teilweise immer noch weh."
Doch nicht nur deshalb wirkt der Vorfall bis heute ungut bei ihr nach. Noch im Restaurant hat sie die Polizei angerufen und mit einem Mitarbeiter des ersten Reviers gesprochen. "Der war sehr unfreundlich." Als sie den Namen der Halterin nicht gewusst habe, habe er gesagt, dann bringe eine Anzeige nichts. Sie solle versuchen, den Namen herauszufinden, und sich an die Hundebeauftragte der Stadt wenden. "Die war auch sehr nett", erinnert sich Scholaske an das Telefonat am Tag drauf. Auch sie habe gesagt, es sei schwierig, doch solle sie einen Bericht einreichen. "Aber ich dachte, das bringt eh nichts." Und ein Aufruf per Facebook hat sie auch nicht weitergebracht.
Auf ECHO-Anfrage bei der Pressestelle des Polizeipräsidiums bedauert Sprecherin Kathy Rosenberger den Vorgang. "Da gab es ein Missverständnis in der Kommunikation." Daniela Scholaske möge bitte noch Anzeige erstatten. Hier stehe der Verdacht einer fahrlässigen Körperverletzung im Raum. Und wenn der Name nicht bekannt sei, sei eine Anzeige gegen unbekannt üblich. Teils starte die Polizei dann auch Zeugenaufrufe.
Nach Auskunft des Ordnungsamts gehen mitunter mehrmals wöchentlich Meldungen wegen Vorfällen mit Hunden ein. Namentlich unbekannte Halter versuche die Behörde, anhand der Hunderasse über das Steueramt ausfindig zu machen. Der Halter müsse dann schriftlich Stellung nehmen. Habe ein Hund ohne begründeten Anlass gebissen, könne er als gefährlich eingestuft werden. Von den derzeit 4740 gemeldeten Hunden in Darmstadt gelten 118 als gefährlich, davon zwei Schäferhunde oder Schäferhundemischlinge.
"Schäferhunde beißen am meisten", kommentiert Christian Zentgraf, Leiter des Darmstädter Tierheims. Eigentlich müssten sie seiner Meinung nach fest in die Liste gefährlicher Hunde aufgenommen werden. Aber da arbeite die starke Lobby dagegen. Ganz unabhängig von der Hunderasse plädiert der Tierarzt für die Einführung eines Hundeführerscheins: Jeder Halter muss nachweisen, dass er mit dem Hund zurechtkommt. "Ich sehe oft brenzlige Situationen und bin immer wieder erstaunt, wie wenig Menschen Hunde einschätzen können", sagt Zentgraf. "Ein Biss ist immer das Ende einer Kette, dass der Hund nicht verstanden wurde." Halter müssten dafür gerade stehen.
Das findet Daniela Scholaske auch. "Der Hund kann ja nichts dafür." Das Schlimmste sei, dass sie, die sie Hunde mag, nun Angst habe. "Ich will einfach, dass der Hund in Sicherheit ist und andere Leute auch."