Lehrkräfte in Darmstadt wollen endlich bezahlt werden

Wie lange noch ohne Gehalt? Das fragen sich die betroffenen Lehrerinnen Maria Bald, Britta Merz, Irina Schmeichel und Bettina John-Willeke (von links). Foto: Guido Schiek

In Kranichstein protestieren Lehrer mit Zeitverträgen, die in diesem Schuljahr noch kein Gehalt erhalten haben. Die verbeamteten Kollegen zeigen ihre Solidarität.

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DARMSTADT. „Man arbeitet für nichts“, sagt Irina Schmeichel bitter. „Und das bei den heutigen Kosten. Ich bin ja dankbar, dass ich einen Mann habe – ohne ihn wäre ich aufgeschmissen.“ Die 48-Jährige arbeitet als Lehrerin an der Erich-Kästner-Gesamtschule in Kranichstein. 23 Stunden in der Woche unterrichtet sie dort Kunst, lehrt Deutsch in Vorlaufkursen und ist tätig in der Unterrichtsunterstützung. Schmeichel ist aber keine Beamtin, sondern sogenannte TVH-Kraft mit befristetem Arbeitsvertrag; die Abkürzung steht für den Tarifvertrag für Angestellte des Landes Hessen.

Seit Beginn dieses Schuljahrs Anfang September unterrichtet Schmeichel wieder die Kranichsteiner Gesamtschüler, wie in jedem Schuljahr seit 2018. Doch wie Tausende weitere TVH-Kolleginnen und Kollegen in Hessen hat sie fast anderthalb Monate nach dem ersten Schultag noch immer keinen Cent Vergütung erhalten (wir haben berichtet). Auch keine Benachrichtigung, dass es eine Verzögerung gebe, kam vom Staatlichen Schulamt oder vom Kultusministerium. „Kein Ton, nichts“, sagt die Lehrerin.

Fehlendes Gehalt für viele eine existenzielle Bedrohung

Britta Merk geht es ebenso. Sie unterrichtet an der Wilhelm-Hauff-Schule in Eberstadt, wie auch ihre Kollegin Bettina John-Willeke. „Wir haben kein Septembergehalt erhalten, aber wir bringen trotzdem weiter 100 Prozent Leistung“, sagen sie. In der Erwartung, dass die Bezahlung demnächst nachgeholt wird. Beide sind aktuell nicht in Existenznot, aber man merke natürlich, dass eingeplantes Geld nicht auf dem Konto eingegangen ist – in einer Zeit stark steigender Preise.

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Austauschen konnten sich die Betroffenen am Freitagmittag im Glasfoyer der Erich-Kästner-Schule. Das dortige Lehrerkollegium hatte zu einer Solidaritätsaktion mit den TVH-Kräften eingeladen. „An allen Schulen wird händeringend nach Lehrkräften gesucht“, sagte Lara Ehlert-Marquant vom Personalrat. „Doch die müssen auch anständig bezahlt werden, und das ist in diesem Schuljahr nicht passiert.“ Für viele Betroffene sei der Ausfall der Gehaltszahlung eine „existenzielle Bedrohung“.

Nachzahlung soll Ende Oktober kommen

Die Schule habe bereits einen TVH-Kollegen, der in akuter Geldnot war, aus ihrem eigenen Etat finanziell unterstützt, ergänzte Erich-Kästner-Schulleiter Dominik Dilcher. Er betonte, wie wichtig die Vertretungskräfte im Schulbetrieb seien. Mehr als 20 sind es an der Kranichsteiner IGS. „Ohne euch läuft der Laden nicht“, rief Klaus Armbruster von der Gewerkschaft GEW den TVH-Kräften zu. „Und das ist der Dank des Kultusministers! Es interessiert anscheinend niemanden, ob ihr eure Miete bezahlen könnt oder versichert seid.“

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„Ich bin so gerne Lehrer, nun ist das Konto richtig leer“, so lautete der Refrain eines Liedes, das Lehrerinnen und Lehrer bei der Kundgebung anstimmten – zur Klavierbegleitung ihrer TVH-Kollegin Zelal Ekinci. Die aus dem türkischen Teil Kurdistans stammende 28-Jährige unterrichtet seit diesem Schuljahr Musik an der Gesamtschule in Kranichstein. Entlohnung hat sie noch nicht erhalten. „Ich habe echt finanzielle Probleme“, sagt sie. „Eigentlich hatte ich einen guten Eindruck von dem System hier, nachdem in der Türkei vieles schief lief.“ Ihr Einstieg in den Lehrerinnenberuf lässt Ekinci daran zweifeln, dass die Verwaltung in Deutschland wirklich deutlich verlässlicher arbeitet.

Das Kultusministerium hat unterdessen versprochen, dass Ende Oktober die ausstehenden Beträge nachgezahlt würden.