
In sternklaren Nächten ist C/2022 E3 (ZTF) auch über Darmstadt zu sehen. Der Physiker Richard Moissl erzählt, warum die kosmischen Felsbrocken unter besonderer Beobachtung stehen.
Darmstadt . Alle 50.000 Jahre kommt der grün schimmernde Komet mit dem Namen C2022/E3 ZTF an der Erde vorbei. Am 1. Februar ist er am erdnächsten Punkt und nur noch 42 Millionen Kilometer entfernt. Ein Klacks, angesichts der Ausdehnung des Universums. Und somit bereitet der Asteroid auch Dr. Richard Moissl, der sich mit seinen ESA-Kollegen um die Asteroidenabwehr kümmert, keinerlei Sorgen: „Es wird einfach ein wunderschönes Himmelsspektakel.“
Moissl beschreibt seine Arbeit bei der Europäischen Raumfahrtorganisation so: „Im Endeffekt gucken wir, dass den Leuten der Himmel nicht auf den Kopf fällt“. Das ist gar nicht so weit hergeholt. Insgesamt gibt es mehr als 30.000 solcher erdnaher Asteroiden in unserem Sonnensystem, davon stehen mehr als 1300 auf einer Einschlags-Risikoliste. Moissl und seinen Kollegen im „Planetary Defence Office“ der ESA – er pendelt für seine Arbeit zwischen Italien und dem Darmstädter Esoc hin und her – haben sie alle im Blick. Es gibt zudem ein Netz von Astronomen auf der ganzen Welt, die mithelfen. Anhand der Daten berechnen die Wissenschaftler für 100 Jahre im voraus mögliche Verläufe. Kommen die Asteroiden der Erde nahe? Und falls ja, wie groß ist das Einschlagrisiko? Es gibt mehrere Kriterien, wie das gewichtet wird. Die Größe des Steinbrockens spielt da eine Rolle, aber auch die Zeit bis zum Einschlag.
„Die gute Nachricht ist: Wir sehen momentan keine signifikante Gefährdung für die nächsten 100 Jahre“, sagt Moissl. Erst im vergangenen Juni konnte der Asteroid „2021 QM1“ von der Risikoliste gestrichen werden. Zuvor hatte es so ausgesehen, dass die Möglichkeit besteht, dass er am 2. April 2052 die Erde streift. Doch die Astronomen konnten die Umlaufbahn genauer berechnen und einen Einschlag ausschließen.
Sollte aber doch einmal ein gewaltiger Felsbrocken der Erde nahekommen, greifen Warnprotokolle, und es werden Gegenmaßnahmen getroffen. Unter anderem werden dann die Behörden und die Öffentlichkeit in den betroffenen Gebieten gewarnt. Ist das Einschlagrisiko in den nächsten 50 Jahren hoch und der Komet größer als 20 Meter, wird etwa das International Astroid Warning Network (IAWN) benachrichtigt, dem auch die Nasa angehört.
Welche Schäden ein Asteroid verursachen kann, hat die Explosion eines 66.000 Kilometer schnellen Asteroiden hoch über der russischen Stadt Tscheljabinsk im Ural am 15. Februar 2013 gezeigt. Der Asteroid hatte einen Durchmesser von 17 bis 20 Meter. Die aus der Explosion resultierende Schockwelle verletzte hunderte Menschen und verursachte einen Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro. „Vor zehn Jahren hatte man noch nicht systematisch nach Asteroiden gesucht“, erzählt Moissl. Wäre er nur wenige Tage vorher entdeckt worden, hätte man die Menschen warnen können. „Dann wären sie von den Fenstern weggeblieben.“ Außerdem wären sie nicht angesichts des großen, massiven Lichtblitzes in Panik geraten. „Dadurch hätten viele Unfälle vermieden werden können.“
Der Einschlag des Kometen hat jedoch die Arbeit der Wissenschaftler maßgeblich vorangetrieben, wie Moissl sagt. Ebenfalls wichtig war die Dart-Mission im vergangenen September. Da war es der Nasa gelungen, ein Raumfahrzeug in den Asteroiden namens Dimorphos rasen zu lassen, um dessen Flugbahn zu verändern. Geplant ist nun, mit der Raumsonde Hera den Asteroiden nach dem Einschlag aus nächster Nähe zu untersuchen, um mehr über dessen Aufbau und innere Struktur zu sammeln. Diese zusätzlichen Daten sollen zudem dazu beitragen, das Dart-Experiment zu einer Technik zu machen, die eines Tages in der Praxis eingesetzt werden kann.
„Im Prinzip brauche man dazu eine Rakete und einen Satelliten, in dem ein Zielsystem installiert ist.“ Im Ernstfall sei dies mit einer Vorlaufzeit von beispielsweise 30 Jahren machbar, sagt Moissl. Die Bahnänderungen müssten auch nicht spektakulär groß sein. „Die Asteroidenabwehr ist nicht so, wie es in Hollywoodfilmen häufig gezeigt wird, wo der Asteroid der Erde näher kommt und man ihn im letzten Moment wie eine Billardkugel wegschießt.“ Es brauche dazu im Prinzip nur einen kontrollierten Stoß mit der richtigen Energie und der richtigen Geschwindigkeit und das möglichst Jahrzehnte bevor der Asteroid der Erde nahe ist. Dann reichten kleinste Änderungen, um ihn in die gewünschte Richtung driften zu lassen.