Klinikum Darmstadt lässt KI in den Darm blicken

Carl Schimanski, Leiter der Klinik für Gastroenterologie am Klinikum, setzt Künstliche Intelligenz bei der Darmkrebsvorsorge ein. Foto; Klinikum Darmstadt

Mithilfe Künstlicher Intelligenz werden auch kleinste Polypen entdeckt. Der Mediziner Prof. Dr. Carl Schimanski erklärt, wie das funktioniert.

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DARMSTADT. (red). Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten und krebsbedingten Todesursachen in Europa. Da die Entwicklung eines Darmkrebses aus einer gesunden Schleimhaut bis zu zehn Jahre dauert, spielt Vorsorge bei dieser Krebsart eine wichtige Rolle. Hierzu wird insbesondere die Darmspiegelung eingesetzt, bei Männern ab 50, bei Frauen ab dem 55. Lebensjahr. Falls Verwandte ersten Grades betroffen sind, so soll die Vorsorge bereits zehn Jahre früher erfolgen. Dabei habe sich die Technik in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt, wie es aus dem Klinikum Darmstadt heißt.

„Seit Kurzem setzen wir hier bei Darmspiegelungen auch auf künstliche Intelligenz“, berichtet Prof. Dr. Carl Schimanski, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatopankreatologie, Endokrinologie und Pneumologie. Die künstliche Intelligenz biete eine stabile Unterstützung für den Untersucher. „Sie obliegt keiner Ablenkung oder Müdigkeit, sondern arbeitet gleichermaßen zuverlässig“, erklärt Schimanski. „Auch als sehr erfahrener Untersucher bin ich über die Zuverlässigkeit dieses Systems erstaunt, das selbst unter widrigen Umständen kleinste Polypen zuverlässig anzeigen kann. In unserer Alltagserfahrung bestätigt sich der Nachweis auch kleinster Adenome im Darm durch die künstliche Intelligenz.“

Seit wenigen Jahren werden laut Ausführungen des Klinikums weltweit künstliche Intelligenzsysteme getestet, die während der endoskopischen Untersuchung das Bild auf Veränderungen scannen und verdächtige Gebiete anzeigen. Eine aktuelle asiatische Analyse mehrerer großer Studien habe belegen können, dass die künstliche Intelligenz die Nachweisrate für Adenome (Krebsvorläufer) auf 29,6 Prozent anhebe, im Vergleich zu 19,3 Prozent ohne den Einsatz der künstlichen Intelligenz. Diese erhöhte Nachweisrate betraf insbesondere kleine oder flache, schwer erkennbare Adenome, die kleiner als fünf Millimeter waren. Bei dem Nachweis von größeren Adenomen (größer als fünf Millimeter) waren erfahrene Untersucher und die künstliche Intelligenz gleich gut, da diese Polypen-Art gut erkennbar ist.

Auch mit hochauflösenden Endoskopiesystemen, die die Schleimhaut hell und scharf darstellen können, würden aufgrund von Störfaktoren wie Restverschmutzungen oder Schleim, aber auch abhängig von der Erfahrung des Untersuchers bis zu 26 Prozent der Darmpolypen übersehen. Hierdurch kommt es trotz Darmspiegelung zu sogenannten Intervallkarzinomen, die zwischen den Vorsorgeintervallen auftreten. Aus diesem Grunde, so erläutert das Klinikum weiter, wurden Technologien eingeführt wie künstliche Chromoendoskopien, bei denen das Licht auf bestimmte Wellenlängen gebündelt wird, damit verdächtige Gebiete während der Untersuchung besser erkennbar werden. „Die Entwicklung der künstlichen Intelligenzsysteme ist jedoch sehr wichtig, da das Risiko für Intervallkarzinome von allen im Darm belassenen Adenomen, seien sie groß oder klein, ausgeht“, stellt Klinikleiter Schimanski klar. Dies bestätige sich auch in einer aktuellen europäischen Studie, die einen ebenso 30-prozentigen Anstieg der Nachweisrate von Krebsvorläuferstrukturen, nachweise.

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„Wir freuen uns, dass wir die Nachweis- und Entfernungsrate von Krebsvorläufern im Darm unserer Patienten hierdurch erhöhen können. Somit sollte auch das Risiko von Intervallkarzinomen sinken, die Vorsorgeuntersuchung ist nochmals ein bedeutendes Stück zuverlässiger geworden“, betont Schimanski.