Klimaschützer machen Politik Druck

Auf lokale Maßnahmen gegen den Klimawandel drängen (von links) Philipp Lehmann, Friederike Frenzel und Andreas Figur. Am Freitag wollen sie mit einer Aktion im Landesmuseum dafür werben; auch die „Fridays for Future“-Demo unterstützt sie. Foto: Torsten Boor
© Torsten Boor

Die neue Gruppe „Klimanotstand“ in Darmstadt trägt ihre Forderungen jetzt ins Parlament. An diesem Freitag gibt es eine Großdemo und Aktionen.

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DARMSTADT. Mit tausenden Klimaschutz-Demonstranten werden sich die Darmstädter am Freitag ab zehn Uhr zwischen Luisenplatz und Hauptbahnhof konfrontiert sehen. Der Protest wandert erstmals auch nach drinnen. Wer am Vormittag das Landesmuseum besucht, wird über Leichen gehen müssen – Mitstreiter der neuen Gruppierung „Klimanotstand“ wollen sich totstellen und mit dieser Aktion auf die fatalen Folgen des Klimawandels hinweisen.

Bei dem kurzfristigen Spektakel soll es nicht bleiben, sagt die junge Bürgerinitiative. Sie will in der nächsten Sitzung des Parlaments am 29. August eine Resolution zum Thema einbringen. Derzeit bearbeitet sie einige Fraktionen, um deren Zustimmung zu gewinnen. Die Chancen stehen gut, glauben die Aktivisten: „Wir rennen bei denen zurzeit offene Türen ein.“

Im Gespräch mit den Fraktionen

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Anfang Juni hat sich der „Klimanotstand Darmstadt“ erstmals getroffen. Man folgt dem Beispiel anderer deutscher Städte. In 46 Kommunen sind die Initiativen zugange, in Hessen tragen unter anderem die Parlamente von Wiesbaden und Rüsselsheim die Resolution mit.

In Darmstadt habe man bisher rund 50 Mitstreiter für die Initiative gewonnen, sagen die Initiatoren, darunter Schüler, Akademiker und Politiker. Ihr Ziel formuliert Andreas Figur (51), gelernter Bauingenieur, so: „Wir wollen die Forderungen von ‚Fridays for Future‘ zum Klimaschutz in die Darmstädter Politik tragen.“ Die Parlamentarier müssten „anerkennen, dass es den Klimawandel gibt und dass jetzt konkret etwas dagegen getan muss“. Wie und was – das lassen die Aktivisten offen: „Das maßen wir uns nicht an“, da müssten dann die Fachleute ran.

Entsprechend allgemein ist die Zehn-Punkte-Resolution gehalten, über die das Parlament abstimmen soll. Demnach soll die Stadt sich verbindlich bereit erklären, „erhebliche finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung“ zu stellen, um der drohenden Klimakatastrophe auf lokaler Ebene etwas entgegenzusetzen. Alle Vorhaben, die beschlossen werden sollen, müssten auf ihre „Klimarelevanz“ geprüft werden. Alle Vorhaben, „die sich negativ auf das Klima auswirken, werden nicht umgesetzt“. Es müssen „klimafreundliche Alternativen“ gefunden werden“.

Was als klimafreundlich gilt, das soll messbar und für alle Bürger nachvollziehbar werden, fordert die Initiative. Dazu soll ein „wissenschaftlich fundiertes, öffentlich einsehbares Instrumentarium zur Bewertung aller städtische Aktivitäten“ entwickelt werden.

Mit diesem Katalog von Forderungen reisen die Darmstädter Notständler derzeit von Fraktion zu Fraktion. SPD, Grüne, Uffbasse, die Linke und die CDU hätten Interesse signalisiert, sagt Mitgründerin Friederike Frenzel (33), Musiktherapeutin. Die Rathaus-Fraktionen Grüne und CDU hatten bereits Anfang Juni einen Antrag mit dem Titel „Höchste Priorität für den Klimaschutz“ in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht. Aus Zeitgründen wurde über den Antrag nicht abgestimmt. Am 29. August soll er nun diskutiert werden. Mit der CDU haben die Aktivisten von „Klimanotstand“ bereits gesprochen. Frenzel glaubt: „Die werden ihren Antrag jetzt nochmal nachbessern.“

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Dabei ist schon der alte Antrag in vielen Punkten konkreter als die Resolution der Bürgerinitiative. So schlagen Grüne und CDU vor, bei allen neuen Baugebieten „möglichst das Ziel der CO2-Neutralität vorzugeben“. Bauprojekte, die „Begrünung in großem Maßstab einplanen“, sollen durch die Stadtverwaltung unterstützt werden. Alle Darmstädter sollen eine Handreichung bekommen, was sie selbst ganz praktisch tun können durch verändertes Konsum- und Mobilitätsverhalten.

Wichtig ist der neuen Klimaschutzgruppe: „Es darf jetzt keine Ausreden mehr geben, dass eine klimaschädliche Maßnahme doch gemacht wird, weil die Alternativen zu kompliziert oder zu teuer erscheinen“, sagt Andreas Figur. Aktuelles Beispiel: die Sanierung des Friedensplatzes, der „zu stark versiegelt ist und viel zu wenig Grün bekommt“, sagt Philipp Lehmann (32), IT-Fachmann. Auch der Umbau des Nordbads am Bürgerpark „hätte CO2-neutral gemacht werden können“, glaubt Friederike Frenzel, „das hat man wegen der Kosten nicht gewagt“.