Keine gläsernen Bürger

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Darmstadt hat den Digitalstadt-Wettbewerb gewonnen und kann nun Beratungen und Sachleistungen im Wert eines zweistelligen Millionen-Euro-Betrags von Bitkom-Unternehmen abrufen....

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DARMSTADT. Darmstadt hat den Digitalstadt-Wettbewerb gewonnen und kann nun Beratungen und Sachleistungen im Wert eines zweistelligen Millionen-Euro-Betrags von Bitkom-Unternehmen abrufen. Das Darmstädter „Bündnis für Demokratie statt Überwachung“ diskutierte am Donnerstag im Staatsarchiv über die demokratische Kontrolle der Digitalisierung.

„Auch dem Oberbürgermeister ist bewusst, dass das nicht so einfach ist“, erinnerten die Moderatoren Isolde Albrecht und Frieder Haug die rund 40 Zuhörer an den kritischen Blick des OB Jochen Partsch (Grüne) auf chinesische Pläne, Bürger anhand erfasster Daten zu bewerten. Die Linken-Stadtverordnete Martina Hübscher-Paul fand, dass sie nicht wisse, was bei dem Digitalstadt-Projekt aktueller Stand sei. Im August 2017 sei das Thema im Stadtparlament diskutiert und ein Ethikrat angekündigt worden, sagte sie. „Aber der ist heute noch nicht eingerichtet worden.“ Als Vorsitzende des DGB Stadtverbands sorgte sich Martina Hübscher-Paul auch, dass über die Digitalstadt GmbH Arbeitnehmerrechte umgangen werden könnten.

David da Torre, einer der Geschäftsführer der Digitalstadt GmbH sowie der Entega-Tochter Count & Care, erklärte, dass die GmbH nur koordiniere. Einzelne Projekte fänden in den städtischen Unternehmen und der Verwaltung statt, wo es Betriebs- und Personalräte gebe. Er versicherte weiter, dass ein Ethik- und Technologiebeirat komme, in dem auch Oppositionspolitiker vertreten seien. Auch bei der Bürgerbeteiligung arbeite man am Konzept.

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David da Torre erklärte, dass man nicht der Bitkom oder den Sponsoren ausgeliefert sei. „Wir müssen Sponsorenleistungen nicht nehmen.“ Achim Friedland von der Initiative „Offenes Jena“ plädierte dafür, die Bürger bei den Anwendungen miteinzubeziehen. „Offenes Jena“ ist ein nicht-kommerzielles, freies Projekt zur Nutzung freier offener Daten in der thüringischen Großstadt. „Der Königsweg ist, möglichst unterschiedliche Personen an einen Tisch zu bekommen“, so Friedland.

„Anwender ticken in der Regel komplett anders als die Softwareleute“, sagte der Informatiker. „Es gibt viele Systeme für Geokoordinaten“, nannte er ein Beispiel, „aber das Beste für den Bürger ist das, was beim GPS verwendet wird.“ Markus Drenger von der Landesarbeitsgemeinschaft Medien/Netzpolitik der hessischen Grünen und aktiv beim Chaos Computer Club Darmstadt, plädierte für Open-Source-Software, weil man deren Programmcode einsehen, bearbeiten und so auch reparieren könne. Es gebe keine Abhängigkeiten von einem Anbieter. „IT-Sicherheit muss man von Anfang an einplanen, wie die Statik bei einem Haus“, sagte Drenger, der früher aktiv bei der Piratenpartei war. Er sieht bei einer Smart City Optimierungspotenziale bei Wartezeiten auf Behördenfluren und hofft auf schnellere Bearbeitungszeiten, wenn die Akten in elektronischer Form vorliegen.

Vorschläge der Bürger dokumentieren

Ein Zuhörer befürchtete, dass Daten wie Stromverbrauch oder Fahrkartenkäufe am Ende bei städtischen Unternehmen landen, vernetzt werden könnten und so zum gläsernen Bürger führen. Das gehe technisch nicht, versicherte David da Torre, sei nicht geplant und auch rechtlich nicht zulässig.

In der Diskussion wünschte sich ein Bürger ein Dokumentationsmanagement, das die Vorschläge der Bürgerbeteiligungen erfasse. Das sei auch geplant, sagte David da Torre. Aber Achim Friedland schlug vor, nicht auf die Stadt zu warten, sondern es selber zu machen.