Bestatterin und Grabrednerin Sabine Eller auf dem Waldfriedhof – ein Ort, an dem sie sich gerne aufhält. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT - Sabine Eller sitzt im Darmstädter Waldfriedhof vor dem Grab einer Freundin. Hierhin kommt sie oft, wenn sie nachdenken möchte. Der Friedhof ist für sie ein schöner Ort. „Ich habe keine Angst vor dem Tod“, sagt die Darmstädterin. Die 52-Jährige ist Bestatterin und bietet Begleitung von Sterbenden und Trauernden an und hält auch Grabreden. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist jedoch die Beratung der Hinterbliebenen, die einen individuellen Abschied vom Verstorbenen ausrichten möchten. Für Menschen, die keine kirchliche Bestattung wünschen, können Begleiter wie Eller eine Alternative sein.
Eller hält Grabreden für Verstorbene, die Atheisten waren. Oder noch in einer Kirche Mitglied waren, aber keinen richtigen Bezug mehr zur Institution hatten. Sie sieht sich aber nicht als Konkurrenz zur kirchlichen Bestattung, im Gegenteil. Oft richtet sie Bestattungen aus, setzt die Wünsche der Hinterbliebenen um, während ein Pfarrer die Grabrede hält.
Häufig organisiert Sabine Eller einen Abschied für Trauernde, der unabhängig von der Beisetzung abläuft. Etwa für den engsten Familienkreis. Oder für ehemalige Arbeitskollegen, die eine Gedenkfeier am Arbeitsplatz wünschen. Dann nehmen die ehemaligen Kollegen an dem Ort vom Verstorbenen Abschied, an dem sie die meiste Zeit mit ihm verbracht haben.
AUCH KIRCHEN MACHEN ANGEBOT
Die evangelische Kirche in Hessen und Nassau bietet unter www.ekhn.de unter den Menüpunkten „Service“ / „Pfarrer im Netz“ Ansprechpartner für Trauernde an. Dazu steht auch ein Live-Chat zur Verfügung.
Auch das Bistum Mainz der katholischen Kirche bietet Hilfe auf www.erwachsenenseelsorge.bistummainz.de unter dem Unterpunkt „Verlust Trauer Krise“ an. Dort gibt es spezielle Angebote für Kinder. (clu)
„Schwierig ist es, wenn Kinder Abschied nehmen müssen“, sagt sie. Sie lässt die Kinder den Sarg bemalen, erklärt sie. So stellen sie einen Bezug zum Verstorbenen her, können sie aktiv Abschied nehmen, statt Zeugen einer Beerdigung zu sein.
Die Wünsche der Verstorbenen sind höchst unterschiedlich. Einer verlangte die Beigabe von Handkäse und einer Fußballzeitschrift in den Sarg, ein begeisterter Karnevalist wurde von ihr um 11.11 Uhr mit einem dreifachen Helau verabschiedet, erzählt Eller.
Rituale gegen den Schmerz
„Wer einen geliebten Menschen verloren hat, bleibt ein Leben lang ein Trauernder“, sagt sie. Dazu müssen aber auch Schmerz und Trauer zugelassen werden. Weil das vielen schwerfällt, setzt sie Rituale ein, bei denen die Trauernden mitwirken. Das können gemeinsam gebastelte Origami-Figuren aus buntem Papier sein, die jeder danach in den Sarg legt. Oder Eller lädt die Trauernden zum Gesprächskreis ein, mit dem Sarg als Teil der Runde. Das wirkt erst mal ungewöhnlich, löst aber Hemmungen und Ängste vor dem Sarg, erzählt sie. Manchmal begleitet sie auch ein Picknick auf einer Friedwaldwiese, bei dem die Urne im Mittelpunkt der Trauernden steht.
Eller ist erst mit 46 Bestatterin geworden, vorher arbeitete sie als Frauenbeauftragte der Stadt Darmstadt. Aber der Tod faszinierte sie schon früh. Ein prägendes Erlebnis, das ihrer Faszination zugrunde liegt, gibt es jedoch nicht, sagt sie. „Mit 13 machte ich ein Praktikum im Seniorenheim“, erzählt sie. Dann folgte eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Als Altenpflegerin reinigte sie die Körper von Patienten. Und von Verstorbenen. „Die letzte Waschung hab ich als Liebesdienst gesehen“, sagt sie. Das sei für sie überhaupt nicht seltsam oder unangenehm gewesen. Dort gehörte das Sterben zum Beruf. Danach schloss sie ein Studium der Sozialpädagogik ab und machte Karriere in der Verwaltung.
Eller mochte ihren Job, mochte es, eine Führungsposition zu haben. Aber sie wollte Bestatterin werden und dabei neue Wege gehen, sagt sie. Und nicht erst mit 65 anfangen, ihre Träume zu verwirklichen. Bis jetzt hat sie den Sprung in die Selbstständigkeit nicht bereut, obwohl lange Arbeitstage zu ihrem Beruf gehören, sagt sie.
Wie sie selbst sterben will, weiss sie schon: „Ich möchte im Kreis meiner Freunde einschlafen, es bewusst erleben. Aber erst, wenn ich weit über 80 bin.“ Dann steht sie auf, um das Grab ihrer Freundin zu wässern.