Jung und alt lernen in Darmstädter Medienwerkstatt gemeinsam...

Maren Kniesz (links) hilft Hannelore Schildt, die viel zu vielen Fotos auf ihrem Smartphone zu sortieren - und großzügig zu löschen. Foto: Andreas Kelm

Junge und Alte können viel voneinander lernen, wenn es um digitale Medien geht - diese These prüfen die Ausrichter des "Digitalen Kränzchens". Peter Holnick und Sandra...

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DARMSTADT. Mit einer solchen Antwort hat der junge Fachmann, ein Schlaks in schwarzem T-Shirt und Gothic-Schmuck, nicht gerechnet. Wie es denn um die Sicherheit des Smartphones steht, will er von seinem Tischnachbarn wissen, einem Herrn im frühen Rentenalter. Na, bestens steht's! Rentner David Walter, 67, strahlt; er zückt ein Alustäbchen, tippt dreimal auf die Oberfläche seines Geräts und ruft die Sicherheits-Einstellungen auf. Den Viren-Scanner habe er selbst installiert. Alles auf dem allerneuesten Stand. Fachmann Sebastian Mehmel, 27, Student der Erziehungswissenschaft, macht große Augen: "Wow, so ein sauberes Smartphone sieht man selten!" Was für eine Marke das überhaupt sei? Doro? Nie gehört. Und das Anti-Viren-Programm? Auch Herr Walter hat so einige Fragen. Zum Beispiel, wieso er mit seinem sauberen Gerät hier nicht ins WLAN reinkommt. Schon sind die beiden im Gespräch, und die Macher des ersten "Digitalen Kränzchens" in Darmstadt hören neugierig zu - ihr Plan ist aufgegangen.

Junge und Alte können viel voneinander lernen, wenn es um digitale Medien geht - das ist die These, die die Ausrichter des Kränzchens jetzt in der Wirklichkeit testen. Peter Holnick, Leiter des hessischen Instituts für Medienpädagogik, und Sandra Freitag, Geschäftsführerin des Nachbarschaftsheims Darmstadt, haben das neue Format ausgeheckt. Denn die älteren Bürger drängen ins Netz. Sie wollen per Whatsapp und SMS den Draht zu Kindern, Enkeln und Freunden halten, schicken munter Fotos und Filmchen rum, und sie haben einen Riesenspaß dabei. Da gibt's Redebedarf.

Auch Eltern gehen oft unbedarft an die neuen Medien heran

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Computerkurse für Senioren gibt es freilich schon lange. Die VHS Darmstadt und die rührige Akademie 55plus bieten Dutzende Seminare für Einsteiger und Fortgeschrittene. Die Nachfrage steigt; die Nachfrage bei den Smartphone-Kursen, heißt es bei den Akademie, könne man derzeit nicht mehr befriedigen. Das Kränzchen, das jetzt erstmals im gediegenen Rahmen des Prinz-Emil-Schlösschens stattfand, verspricht indes eine neue Ebene des lebenslangen Lernens. "Auf Augenhöhe" sollen sich Alte, Jugendliche und junge Erwachsene hier begegnen, sagt Holnick. Den Rentnern bringt es "eine Grundsicherheit" im Umgang mit den trickreichen Apps, den Jungen Anlass zur Reflexion. "Die Alten bringen Ruhe rein", sagt der Medienpädagoge, "die fragen: Warum macht ihr jungen Leute das überhaupt so?"

Herr Walter konfrontiert seinen jungen Tischnachbarn im Schlösschen mit klaren Ansagen. Eigentlich, sagt der gelernte Ingenieur über sein Smartphone, "brauch' ich's nicht. Aber ich gewöhn' mich dran". Er lacht und erklärt: Ein Handy hat er "nur zum Telefonieren" und fürs Online-Banking. Und sein zusätzliches Doro-Smartphone, das als "Senioren-Handy" beworben wird? Damit sucht er im Netz nach Bahnverbindungen, wenn er per RMV durch die Region reist. Und nach Angeboten: Günstige Vierkantrohre hat er gerade gefunden, mit denen er am Wochenende seine Terrasse verstärken will. Immer online sein wie die Jungen? Walter lächelt selbstbewusst: "Ich benutze das Ding so selten wie möglich, ich versuche es noch mit Denken."

Bei allem Spaß am Herumschicken von Balkon-Fotos: Die Älteren sehen die elektronischen Kanäle "oft kritischer als die Digital Natives", sagt Mila Hundertmark, Darmstädter Künstlerin und Medienpädagogin. Das betrifft nicht nur die Enkel. Auch die heutige Elterngeneration "geht oft unbedarft an die neuen Medien heran". Das erlebe sie als Referentin oft bei Elternabenden in Schulen. Mit reinen Technik-Schulungen sei das nicht getan, glaubt sie. Ihr "Büro für Medienbildung", das Kurse in der neuen Agora am Ostbahnhof anbietet, setzt deshalb auch auf "intergenerative Workshops". Eltern und Schüler lernen hier gemeinsam, wie sie sich in der flirrenden Welt der Apps, Pop-Up-Menüs und personalisierten Werbung zurechtfinden können. Und welche Regeln sie dafür vereinbaren können.

Personalisierte Werbung? Sebastian ist das gewöhnt; jede seiner Google-Suchen wird von hilfreichen Hinweisen auf Sonderangebote flankiert. Herr Walter dagegen muss immer wieder lachen, wenn ungefragt Annoncen auf seinem Smartphone-Bildschirmchen aufploppen. "Jede Menge Werbung für Treppenlifte, immer wieder!" Er ahnt: "Die wissen genau, wie alt ich bin." Ein guter Grund, die digitale Sicherheit genau im Blick zu behalten. Es geht den Alten wie den Jungen freilich nicht nur um Anti-Virenprogramme. Beim "Digitalen Kränzchen" kommen Wünsche aller Art auf den Kaffeetisch.

Wie kriegt man die Adressen der Lieben in Whatsapp rein? Wieso ist der Speicher schon voll - was, so viele Bilder hab' ich doch nie gemacht? Wie löscht man all die Daten? Das sind so die Fragen. Hannelore Schildt, 77, lässt sich von einer Mittzwanzigerin zeigen, wie man fingerschnippend für Ordnung im Fotoarchiv sorgt. Aber manche wollen auch einfach bloß spielen.

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Ingrid Pabst, 81, die seit Jahrzehnten in froher Runde Karten kloppt, will nun auch die digitale Spielewelt erkunden. Auf dem Smartphone und Tablet. Zusammen mit der jungen Kränzchen-Teilnehmerin Maren Brockmann (16) checkt sie im App-Store, wie man "Bubble Mags" runterlädt, "das hat mir eine Freundin empfohlen". Dann zockt sie los - mit einem Gesichtsausdruck, den man auch von manchem Teenie kennt.