Obwohl derzeit im Woog so gut wie keine Fische schwimmen, ist der Darmstädter Badesee voller Leben. Die Wasserwerte werden vom Hessischen Umweltamt und dem Regierungspräsidium...
DARMSTADT. Derzeit sind im Großen Woog - das Wasser war im vergangenen Oktober abgelassen und der Seegrund entschlammt worden - so gut wie keine Fische mehr. Leben gibt es trotzdem jede Menge. Plankton zum Beispiel und andere Kleinorganismen, die wichtig für das ökologische Gleichgewicht sind.
Michael Häckl, beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden für das Monitoring von Seen und Badegewässern zuständig, ist während der Sanierungsphase aus beruflichen Gründen ein häufiger Gast am Badesee. Das öffentliche Interesse ist groß, so seine Erfahrung. "Der Woog ist ein ganz besonderes Gewässer, so mitten in der Stadt", sagt er.
Häckl packt unterm Sprungturm die Messgeräte aus. Mehr als zwei Meter beträgt die Sichttiefe dort, wo der Woog mit mehr als vier Meter am tiefsten ist. "Das ist hervorragend", sagt Häckl. Die Temperatur liegt bei 21,78 Grad, die Sauerstoffsättigung bei 77 Prozent. "Das könnte etwas besser sein", sagt der Fachmann. Vermutlich liegt der niedrige Wert am bewölkten Himmel: "Wenn die Sonne nicht herauskommt, produzieren Algen keinen Sauerstoff." Außerdem fließt kaum Wasser in den Woog, denn wie das ECHO bereits berichtete, ist der Darmbach derzeit nur ein kleines Rinnsal.
Über die Wasserfläche huschen Wasserläufer, ab und an schwimmt ein Badegast am Steg vorbei, zwei Jungs springen kopfüber von der Plattform. Mit einem Marmeladenglas in der Hand versuchen sie, kleine Tiere einzufangen. Die sollen sich im Woog massenweise in den Badeanzügen der Schwimmer verfangen, zumindest macht das gerade in den Sozialen Netzwerken die Runde. Von Bachflohkrebsen ist die Rede, es handelt sich jedoch vermutlich eher um Ruderfußkrebse. Bachflohkrebse leben, wie der Name andeutet, nahezu ausschließlich in Bächen.
Häckl entnimmt Wasserproben, doch in den Eimern, die er aus verschiedenen Tiefen herausholt, ist kein Getier zu finden. Lediglich der ein oder andere Mini-Wasserfloh zeigt sich. Und auch die beiden Jungs, die sich als Kleinkrebsjäger versuchen, gehen leer aus.
Seit 1820 wird der knapp sechs Hektar Große Woog als Badesee genutzt. Ins Wasser, das oft etwas trüb ist, gelangt man über den Badestrand oder über Stege. In diesem Jahr wurde er bereits dreimal auf gesundheitsschädliche Bakterien wie Enterokokken und E-Coli überprüft. Es gab keine Beanstandungen. Die Ergebnisse können im Internet unter badeseen.hlnug.de eingesehen werden.
Doch nicht nur Gewässerexperten wie Michael Häckl, auch die Badegäste gucken ganz genau hin. "Am Ufer sind Larven oder Algen, wie so ein kleiner Schneesturm sieht das aus", berichtet ein ECHO-Leser. Ob die Redakteurin da nicht mal einen Experten fragen könnte? "Das können zerfressene Materialien sein, Algen oder kleine Tiere", sagt Anke Uhl von der Umwelt-Abteilung beim Regierungspräsidium in Darmstadt. Dass diese vorhanden sind, könne daran liegen, dass der Woog derzeit noch nicht im Gleichgewicht ist. "Das braucht Zeit. Solange keine Fische im Woog sind, ist die Biozönose - die Gemeinschaft von Organismen verschiedener Arten innerhalb des Sees - instabil und störanfällig", so die Erklärung der Biologin. "Dies gilt auch für die Zeit nach dem Wiederbesatz. Das Gleichgewicht stellt sich nicht über Nacht wieder ein, das benötigt Zeit."
Doch selbst wenn sich tatsächlich ganze Horden von Ruderfußkrebsen im Großen Woog tummeln würden, wäre das nur gut fürs große Ganze. Die Kleinkrebse gehören zum Zooplankton - und sind der natürliche Feind des Phytoplanktons, das unter anderem aus Kieselalgen, Grün- und Blaualgen besteht. Das Zooplankton wiederum wird von Fischen gefressen. "Ein Eingriff in diese Nahrungskette hat immer unmittelbare Folgen auf die anderen Glieder der Nahrungskette", erklärt Häckl. Eine wichtige Rolle spielten da auch die großen Wasserpflanzen, die den Algen Licht und Nährstoffe streitig machen.
Das heißt: Die Pflanzen, die viele Badegäste eher als störend empfinden, weil sie sich beim Schwimmen um die Waden wickeln, halten das Algenwachstum im Zaum. Der Woog ist ein Naturbadesee, der lebt. Und eben die ein oder andere Überraschung beherbergt. Und dass so ein See mit der Zeit verlandet, weil Sedimente eingeschwemmt werden, ist auch normal. "Wir kämpfen da gegen eine natürliche Entwicklung an, damit die Menschen weiter im Woog baden können", sagt die Biologin Anke Uhl.