Investor baut beim Darmstädter Stadthaus ein Geschäftshaus

Grafik: Netzwerkarchitekten

Bei der Präsentation vor einem Jahr wollte Investor Gülsen noch einen massigen Komplex an der Grafenstraße durchsetzen. Die deutliche Kritik der Fachleute hat gewirkt - etwas...

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DARMSTADT. Mehr Wohnraum und etwas mehr Grün in der Innenstadt verspricht der Investor Dogan Gülsen an prominenter Stelle in der Darmstädter Innenstadt. Ein fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus will er gegenüber dem Stadthaus errichten lassen. Der neue Entwurf mit viel Glas und Bepflanzung überzeugte den Gestaltungsbeirat der Stadt bei der jüngsten Sitzung des Gremiums. Vor einem Jahr hatten die Fachleute noch massive Kritik an dem Großprojekt geäußert. Die Lage wird wohl eher Besserverdienenden vorbehalten sein: Der Quadratmeterpreis liege sicher jenseits der Zwölf-Euro-Marke, hieß es aus Gülsens Büro.

Mit dem Neubau hoffen die Architekten eine "zukunftsweisende Lösung für innerstädtisches Wohnen" zu präsentieren. Das erklärte Karim Scharabi vom Darmstädter Büro Netzwerkarchitekten im Beirat. Solche Ideen sind bei der Stadt derzeit gefragt: Die Mollerstadt, immer noch von teils vernachlässigten Bauten der Fünfziger und Sechziger geprägt, soll einerseits verdichtet werden, andererseits drängt der Magistrat auf mehr Grün. Wie heiß es in dem versteinerten Innenstadt-Quartier werden kann, haben die Bewohner und Besucher in den letzten Wochen erlebt. Gegen solche "Hitze-Inseln" soll auch das Grün des Gülsen-Neubaus wirken, hoffen die Architekten.

Für mehr Dach- und Fassadengrün wirbt die Planungsdezernentin Barbara Boczek (Grüne) derzeit bei privaten Hausbesitzern. Im neuen Eckhaus ist nun beides vorgesehen. Pflanzen sollen auf dem Flachdach des zurückgesetzten Dachgeschosses wachsen, auch an den Loggien zur Grafenstraße hinaus soll es sprießen. Freilich: Das ist letztlich Mietersache. Die Architekten wollen die Loggien aber baulich so herrichten, dass sich die Mieter zu Pflanzungen ermuntert fühlen - "es werden da nicht nur zwei Blumentöpfe stehen", sagt Scharabi.

Ein neuer Baum wird auch im Hof gepflanzt. Dafür hatte der erste Entwurf keinen Platz gelassen. Doch nun wird das Grundstück nicht völlig überbaut und versiegelt, 20 Prozent Freifläche bleiben.

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Auf dem Dach sollen Solarzellen Strom für den Hausgebrauch liefern. Auch Stellplätze für Carsharing-Autos werden eingerichtet. Man wolle ein "großes Service-orientiertes Angebot für diese Klientel" machen, sagt Scharabi.

Die Klientel, die Investor Gülsen jetzt in den Blick nimmt, hat sich geändert. Bei der ersten Präsentation im August 2017 wollte er noch Ein- bis Dreizimmerwohnungen "für Studenten, Alleinstehende und Paare ohne Kinder" anbieten. Jetzt ist von größeren Zwei- bis Vier-Zimmer-Apartments die Rede. Als Mieter stelle man sich "Mitarbeiter großer Unternehmen, der TU und der Esoc" vor, sagte Architekt Scharabi im Beirat.

In der Höhe soll der Neubau weiterhin deutlich über die des Altbaus hinausgehen, trotz der Kritik des Beirats. Der hatte angeregt, auf ein Geschoss zu verzichten. Der neue Entwurf sieht stattdessen ein zurückgesetztes Dachgeschoss vor, so dass die obere Gebäudekante von der Straße aus niedriger wirkt. Der Komplex, sagte Christa Reicher als Vorsitzende des Beirats, "wirkt jetzt nicht mehr so stark als Konkurrent gegenüber dem Stadthaus."

Wenn es so grün wird wie auf den Skizzen der Architekten, wird sich der Neubau gut einfügen in das, was die Stadt selbst in der Nachbarschaft vorhat. Der Park- und Wendeplatz direkt vor dem Stadthaus soll begrünt werden, die Autos sollen in einem neuen Kreisel am Ende der Elisabethenstraße abdrehen - dahinter beginnt die Fußgängerzone. Einen genauen Zeitpunkt dafür nennt die Stadt aber nicht.

Im Frühjahr 2019 soll es mit der lang angekündigten Verschönerung der Grafenstraße losgehen, hieß es zuletzt. Die Fahrbahn soll verengt, die Bürgersteige breiter werden, mehr Bäume werden gesetzt.

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Ob das zeitgleich mit dem Gülsen-Neubau passiert, ist ungewiss. Der Investor will den Altbau an der Ecke im Frühjahr abreißen, heißt es aus seinem Büro. Man rechne mit anderthalb Jahren Bauzeit. Bis es dann grüner und ruhiger wird, dürfte es für Radler, Fußgänger und Kraftfahrer im strapaziösen Mollerstadt-Verkehr eine weitere Geduldsprobe werden.