Im Porträt: Bijan Kaffenberger (SPD) kandidiert für Darmstadt
Der SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis 50 findet, dass Politik viel zu oft in Sitzungszimmern stattfindet: Rausgehen und mit Leuten reden, ist dem 29-Jährigen wichtig.
Von Sabine Schiner
Lokalredakteurin Darmstadt
Der SPD-Landtagskandidat weiß als Pendler zwischen Roßdorf und Darmstadt, wie wichtig der ÖPNV ist.
(Foto: Guido Schiek)
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DARMSTADT - Die Hände zappeln, der Körper zuckt, und ehe man es sich versieht, haut er sich fast die Brille von der Nase: Bijan Kaffenberger hat das Tourette-Syndrom. Doch er ist geübt darin, seine Gesprächspartner trotz Tics bei der Stange zu halten. Der 29 Jahre alte SPD-Direktkandidat redet nicht lange um den heißen Brei herum: „Ich will meinen Wahlkreis gewinnen.“
Bijan Kaffenberger fühlt sich als „Bessunger-Roßdörfer-Hybrid“: Geboren im Marienhospital, eingeschult in der Mornewegschule. Als er sieben Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, er wächst bei den Großeltern in Roßdorf auf. Dort spielt er Fußball, ist bei den Pfadfindern in Darmstadt aktiv und macht auf der Edith-Stein-Schule Abitur. Seine Geschichte passt zum Wahlkreis, die SPD zu seiner Familie: Die Oma hatte einen Putzjob bei der Heag, der Opa war Maschinenschlosser bei der Bahn. „Ich war der erste in der Familie, der studiert hat.” Beeindruckt hat ihn als Kind Kanzler Gerhard Schröder – und zwar die Art und Weise, wie er aufgetreten ist. „Wir brauchen Leute, die bereit sind, Entscheidungen zu treffen”, sagt er mit Blick auf die Bundespolitik.
Die SPD muss sich erneuern, personell und inhaltlich, sagt Kaffenberger, der im Wahlkampf voll aufdreht und viele Leute trifft. Politik findet nach seinem Geschmack ohnehin viel zu oft in Sitzungszimmern statt. Kontakte knüpfen fällt ihm leicht. Klar sind manche Menschen irritiert ob seiner Tics. „Dann sage ich schon was dazu – doch ich habe einen gewissen Grundbekanntheitsgrad.“ Viele kennen seine „Tourettikette“-Clips auf Youtube, wo er in 80 bis 100 Sekunden in einem alten Sessel sitzend Zuschauerfragen pseudoseriös beantwortet.
ZUR PERSON
Bijan Kaffenberger, SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis 50, studierte an der Goethe-Universität Frankfurt Volkswirtschaftslehre. Er arbeitet seit 2016 als Referent für Breitbandausbau im Thüringer Wirtschaftsministerium. 2011 wurde er in die Gemeindevertretung in Roßdorf gewählt, seit 2016 sitzt er im Kreistag des Landkreises Darmstadt-Dieburg. (red)
Den Wahlkreis will er direkt gewinnen. Unbedingt. Indem er die Menschen von seiner Vision für die Region überzeugt. Beispiel Verkehr. Kaffenberger wohnt in Roßdorf, hat aber keinen Führerschein. Also fährt er mit dem ÖPNV – und ärgert sich jedes Mal, wenn sein Bus am Ostbahnhof im Stau steht. Damit ist der ÖPNV keine wirkliche Alternative. Das will er ändern. Er ist für den Bau der Straßenbahn in den Ostkreis, für den Einsatz von Elektrobussen und für ein Verkehrskonzept von Stadt und Landkreis. Es sei an der Landespolitik, da Anreize zu setzen. „Ich würde gerne als Mediator in diesen Prozess gehen“, sagt er. Perspektivisch müssten aber auch die Tickets für alle ÖPNV-Nutzer günstiger werden. „Wir brauchen flächendeckend und hessenweit Sozialtickets“, sagt Kaffenberger.
Auch das Digitalstadt-Projekt ist ihm zu stark auf Darmstadt begrenzt. Er redet lieber von einer Digitalregion, die er voranbringen möchte. „Wir brauchen ein Glasfasernetz, um die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Digitalisierung zu schaffen.“ Wichtig ist ihm auch, Mobilfunklöcher zu schließen. Er will Stadt und Landkreis zu einer Modellregion für 5G-Mobilfunknetze machen. Das Digitale stärken will er auch beim Thema Bildung. Bijan Kaffenberger ist dafür, dass etwa Kinder an Schulen spielerisch programmieren lernen und Berufsschüler fit für die digitalen Anforderungen im Job gemacht werden. „Wir müssen auch für Weiterbildung sorgen, damit die Leute in der Region permanent auf der Höhe der Zeit bleiben können.“ Er fordert zudem eine klare Struktur in der Schullandschaft mit mehr Ganztagsschulen, die in enger Abstimmung mit Sportvereinen kooperieren. Damit die Kinder rundum gut versorgt sind.
„Ich bin vielleicht nicht in allen Dingen Experte, aber ich verstehe, wo im Wahlkreis der Schuh drückt – und ich will etwas ändern”, sagt Bijan Kaffenberger zum Ende des Gesprächs. Seine Brille hat er gefühlt etwa 50 Mal auf der Nase zurechtgerückt. Heruntergefallen ist sie kein einziges Mal.