Ideen für 51 Millionen Euro

Die Bessunger Knabenschule wird bald saniert, und schon vor der Wahl haben mehrere Darmstädter Oberbürgermeister-Kandidaten signalisiert, dass man die Veranstalter nicht im Regen stehen lassen will, wenn die bewilligte Finanzierung nicht ausreichen sollte. Foto: André Hirtz

Die Darmstädter Oberbürgermeister sind in Personalunion auch Kulturdezernenten einer Stadt, die sich für einen relativ hohen Kulturetat von 51 Millionen Euro jährlich...

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DARMSTADT. Die Darmstädter Oberbürgermeister sind in Personalunion auch Kulturdezernenten einer Stadt, die sich für einen relativ hohen Kulturetat von 51 Millionen Euro jährlich entschieden hat. Doch als die OB-Kandidaten der sieben im Stadtparlament vertretenen Parteien und Gruppen am Montag im Theater im Pädagog (TIP) auf Einladung des Darmstädter Künstlerrats und des Vereins "Darmstadt KulturStärken" ihre Ideen zur künftigen Gestaltung dieser Kulturpolitik vorgestellt haben, fehlten sowohl der - wegen Krankheit entschuldigte - Uli Franke von "Die Linke" als auch - unentschuldigt - Hans Mohrmann von der AfD.

Die anwesenden OB-Kandidaten Jochen Partsch (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Siebel (SPD), Christoph Hentzen (FDP), Kerstin Lau (Uffbasse) und Helmut Klett (UWIGA) hatten vielleicht auch allzu freies Spiel, zumal Diskussionsleiter Ives Humeau sich wie vorgesehen im Hintergrund hielt. Denn die Befragten griffen in der freundlichen Atmosphäre des kleinen Raums thematisch recht wahllos aus dem Vollen, das die Veranstalter ihnen mit Fragen vorgegeben hatten.

Von der Entwicklung des Staatstheaters und der Bewerbung der Mathildenhöhe als Unesco-Kulturerbe über die Stärkung der freien Kulturszene bis zu den künftigen Aufgaben eines Kulturreferenten - um nur einen Ausschnitt zu nennen - war alles vertreten. Dabei waren den Kandidaten nur Drei-Minuten-Statements zur Bilanz des Vorhandenen, Ausblicke für die nächste Wahlperiode sowie Zukunftsperspektiven zugestanden worden; es folgten Fragen aus dem Publikum. Einzig die Musik blieb bei allen gleich ganz außen vor.

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Helmut Klett verblüffte vor allem mit einem Satz in Richtung des Saals voller Kulturschaffender: "Mein Problem ist, dass ich Ihre Probleme nicht kenne." Michael Siebel befand, heute gehe es für Darmstadt um Kultur "als öffentliche Aufgabe und eigenständigen Weg zur Überwindung von Armut und sozialer Benachteiligung durch Bildung von klein auf". Wichtig findet er Orte der "Verknüpfung für kreative Köpfe" wie das kommende Waben.

Die Umland-Kommunen in die Finanzierung des Staatstheaters einbeziehen, möchte Christoph Hentzen. Dazu liegen ihm eine Mehrzweck-Arena für Sport und Kultur sowie ein Gründerzentrum, das sich der Entwicklung digitaler Spiele widmet, am Herzen.

Das wahre Duell dieses Abends lieferten sich aber Jochen Partsch und Kerstin Lau. Der amtierende Kulturdezernent bescheinigte dem Ressort unter seiner Ägide nicht nur, sowohl "gemeinsam mit den Kulturschaffenden wie den Interessierten die großen und kleinere Projekte fortentwickelt und nicht gegeneinander ausgespielt zu haben". Dazu sei unter anderem für die Sanierung von Theater Mollerhaus und Bessunger Knabenschule viel in kulturelle Infrastruktur investiert worden.

Weltkulturerbe oder freie Szene

Hier gelte es fortzufahren, beispielsweise durch das neue Pallaswiesenviertel. Es werde Ateliers, das Institut für Neue Technische Form und einen Ausstellungsraum aufnehmen, der auch als (an diesem Abend mehrfach angemahnte) Kommunale Galerie dienen könne. Hier parierte Kerstin Lau: Noch habe dieses Viertel kein parlamentarisches Gremium passiert. Sie überraschte mit der Frage: "Brauchen wir ein Darmstädter Weltkulturerbe?" Ihre Liebe gelte der freien Szene - auch, was künftige Mehr-Finanzierungen angeht. Dazu plädiert Lau für eine Entlastung des Kulturreferenten, der zu stark in das Städtische Kulturamt eingebunden sei.

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Freuen konnten sich an diesem Abend die Künstlerverbände, Street-Art-Künstler und Bildhauer sowie die Bessunger Knabenschule. Den Verbänden sicherte Partsch den lange versprochenen Kulturbeirat zu. Und für Kunst an Hauswänden sowie Graffiti an geordneter Stelle plädierten gleich mehrere der Kulturpolitiker genauso wie für eine Planungssicherheit für die Knabenschule, die ab dem Frühjahr mit knappen Mitteln saniert wird und fürchtet, das die bewilligten 400 000 Euro nicht genügen.

Von Annette Krämer-Alig