Haushaltsloch: Kämmerer Schellenberg schließt keine Kürzungen mehr aus
Stadtkämmerer André Schellenberg findet deutliche Worte zur Kassenlage der Stadt Darmstadt. Die Grundsteuererhöhung hält er für unerlässlich. Das Sparen werde aber auch Großprojekte treffen. Auch die Erhöhung von Kita-Gebühren ist nicht ausgeschlossen.
Von Das Interview führte Patrick Körber.
Darmstadts Mann für die Finanzen, André Schellenberg (CDU), hält die Grundsteuererhöhung für unerlässlich. Archivfoto: André Hirtz
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DARMSTADT - Der Kämmerer der Stadt Darmstadt, André Schellenberg (CDU), findet deutliche Worte zur Kassenlage der Stadt Darmstadt. 52 Millionen Euro an Gewerbesteuer brechen für das Jahr 2017 weg. Ein Nachtragshaushalt ist nötig. Das große Sparen werde auch Großprojekte treffen. Gebührenerhöhungen sind nicht ausgeschlossen.
Herr Schellenberg, angeblich erst seit April wissen Sie, dass Ihnen Gewerbesteuereinnahmen von 52 Millionen Euro fehlen. Wussten Sie das nicht schon vor der Oberbürgermeisterwahl?
Nein. Die Unternehmen melden ja nicht an uns, sondern ans Finanzamt. Das Finanzamt hat uns am 21. April den Gewerbesteuermessbetrag zugeschickt. Anhand dessen konnten wir errechnen, dass die Gewebesteuer um 52 Millionen Euro einbricht. Wir sind aber bereits Anfang April vorgewarnt worden.
Sie wollen wegen der Steuerausfälle die Grundsteuer A und B anheben, um insgesamt 7,5 Millionen Euro mehr zu erzielen. Grün-Schwarz hat aber dafür keine Mehrheit im Stadtparlament. Weder Uffbasse noch die anderen Fraktionen werden nach unserer Recherche zustimmen. Wieso schlagen Sie etwas vor, für das Sie als Regierungskoalition keine Mehrheit haben?
ZUR PERSON
André Schellenberg (Jahrgang 1969) ist seit 2011 Kämmerer der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Unter anderem ist der Volkswirt zuständig für die Finanzen, den Eigenbetrieb Bürgerhäuser sowie für die Abfallentsorgung und Straßenreinigung (im Eigenbetrieb EAD). Vor seiner jetzigen Funktion war Schellenberg Referatsleiter beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Schellenberg ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Da wissen Sie mehr als ich. Dennoch führt an der Grundsteuererhebung kein Weg vorbei. Als Schutzschirmkommune und als Kommune mit defizitärem Haushalt sind wir verpflichtet, die Hebesätze der Grundsteuern anzuheben, wenn der Haushalt nicht ausgeglichen ist. Ansonsten werden wir von der Kommunalaufsicht dazu gezwungen. Unser Nachtragshaushalt würde sonst nicht genehmigt werden. Daran kann niemand ein Interesse haben.
Sie könnten die 7,5 Millionen doch anderweitig einsparen und nicht an der Grundsteuer, die letztlich auch Mieter betreffen wird.
Das würde nicht funktionieren. Wir müssten dann noch mehr an freiwilligen Leistungen einsparen, also zum Beispiel Vereine und Kulturinstitutionen belasten. Es wird schon eine Herausforderung sein, das Defizit von 19 Millionen Euro, das nach den Steuererhöhungen übrig bleibt, einzusparen.
Sie haben eine Haushaltssperre bei den freiwilligen Leistungen verfügt. Was heißt das?
Wir haben Anfang 2017 eine Haushaltsperre von 20 Prozent der freiwilligen Leistungen erlassen. Das machen wir routinemäßig jedes Jahr. Nur diesmal werden wir die Sperre aufrechterhalten. Zuschüsse an Vereine oder Kulturinitiativen, die bereits bewilligt sind, werden auch ausgezahlt. Die Bescheide sind weitgehend rausgegangen. Darüber hinaus wird es aber keine Zuschüsse mehr geben. Ebenso sparen wir innerhalb der Verwaltung zehn Prozent an Sachmitteln rein. Die Möbelbestellung muss dann eben mal verschoben werden.
Gilt der Sparkurs nur für dieses Jahr?
Nein. Das Konsolidierungsprogramm muss drei bis vier Jahre wirken, weil uns das Land ab 2018 dazu verpflichten wird, Altdefizite, also vor allem unsere Kassenkredite, nach verbindlichen Spielregeln abzubauen. Deshalb muss eines klar sein: Es wird nicht reichen, nur die freiwilligen Leistungen anzufassen, sondern auch an die Pflichtaufgaben.
Aber inwiefern können verpflichtende Leistungen, die eine Kommune zu erbringen hat, gekürzt werden?
Es ist die Frage, wie wir die Pflichtaufgaben erfüllen. Ein Beispiel: Das Regierungspräsidium mahnt uns regelmäßig an, die Kita-Gebühren soweit zu erhöhen, dass die Kosten zu einem Drittel gedeckt sind. Unser Kostendeckungsgrad liegt lediglich bei 11,6 Prozent. Wir sind nur verpflichtet, Kita-Plätze zu schaffen, zu welchen Gebühren, ist der Stadt überlassen.
Wollen Sie die Kita-Gebühren etwa erhöhen?
Ich schließe im Moment nichts aus.
Müssen Sie auch bei Investitionen sparen? Bei Großprojekten reden wir vom Stadionbau, vom Nordbad, der Lichtwiesenbahn oder dem Berufsschulzentrum Nord, von Straßensanierungen etc.
Es ist eine Ansage der Kommunalaufsicht, dass die Gesamtverschuldung grundsätzlich nicht über 800 Millionen Euro steigen darf. Auch wenn man den Bevölkerungsanstieg berücksichtigt, wird eine Gesamtverschuldung von über einer Milliarde Euro nicht realisierbar sein. Zählt man unsere geplanten Großprojekte zusammen, wäre das aber der Fall. Es werden also auch Großprojekte den Heldentod sterben müssen. Welche das sein werden, das muss der Magistrat austarieren.
Stehen Landesgartenschau und Weltkulturerbe-Bewerbung zur Disposition?
Darüber rede ich jetzt nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir es trotz eines Defizits von 19 Millionen Euro hinbekommen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Denn nur dann werden wir im kommenden Jahr aus dem kommunalen Schutzschirm entlassen. Das ist unser Ziel.