Der SPD-Vorsitzende Huß wirft der grün-schwarzen Koalition in Darmstadt vor, das mit der Initiative Radentscheid ausgehandelte Papier zum Ausbau des Radverkehrs auf Druck der...
DARMSTADT. Vertreter der grün-schwarzen Koalition und der SPD haben sich im Bauausschuss eine hitzige, zum Teil von persönlichen Angriffen begleitete Debatte über die jüngst vom Magistrat beschlossene Darmstädter Radstrategie geliefert. Der Streit entzündete sich am Vorwurf des SPD-Vorsitzenden Tim Huß, dass die Radstrategie – anders als es suggeriert werde – nicht exakt das Ergebnis der Gespräche mit der Initiative Radentscheid Darmstadt wiedergebe, sondern dass diese auf Druck der CDU weichgespült worden sei. „Die Radstrategie ist vor allem ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen CDU und Grünen und nicht das Ergebnis der Verhandlungen mit der Initiative Radentscheid“, betonte Huß am Mittwochabend.
Die Strategie zur Förderung des Radverkehrs in Darmstadt gehe zwar in die richtige Richtung, sei aber verbesserungswürdig. Um „wachsweiche Formulierungen“ in dem Papier durch feste Zielvorgaben zu ersetzen, legte Huß neun Änderungsanträge der SPD vor. So lautet etwa der Eingangssatz im Kapitel „Qualitätsoffensive Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen“: „Alle Hauptverkehrsstraßen werden nach Möglichkeit ERA-Konform (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen/ERA; d. Red.) mit Radverkehrsanlagen ausgestattet.“ Die SPD verlangte, die Einschränkung „nach Möglichkeit“ zu streichen und zudem festzuschreiben, dass jährlich mindestens 2,5 Kilometer Radwege dieser Art errichtet werden.
Die Änderungen wurden später allesamt von der Ausschussmehrheit abgelehnt. Dagegen wurde die Strategie mit den Stimmen von Grünen, CDU und Uffbasse gebilligt.
Hans Fürst (Grüne) wies die Vorwürfe von Huß vehement zurück. Die Strategie sei „das Ergebnis von Verhandlungen mit dem Ziel, einen Konsens über die künftigen Vorhaben zu erzielen“. Er sprach von einem „außerordentlich verwunderlichen Verhalten“, wenn David Grünewald, einer der Initiatoren des Radentscheids, die Opposition einspanne, um zu versuchen, das Verhandlungsergebnis zu verändern. „Wir werden das Paket nicht mehr aufschnüren“, kündigte er an. Auch der Vertreter von Uffbasse, Georg Hang, nannte das Vorgehen von Vertretern der Initiative „nicht akzeptabel“.
Der CDU-Vorsitzende Paul Wandrey wies die SPD-Änderungsvorschläge „als Prosa, die praktisch keine Auswirkungen haben“, zurück. Die Radstrategie definiere Standards für den Ausbau der Radwege. Bei der Umsetzung gehe es aber immer um „ein Abarbeiten am Einzelfall“.
Umweltdezernentin Barbara Akdeniz (Grüne) sprach von einer „Super-Strategie, die auf der Expertise der Vertreter von Radentscheid aufbaut“. Auf deren Rat wolle man auch künftig nicht verzichten.
Huß stellte am Donnerstag auf Nachfrage klar: Die Anträge seien mit der Initiative abgestimmt gewesen. Die Partei habe deren Vorschläge aber nicht eins zu eins übernommen. Die Anträge enthielten auch Vorstellungen der SPD. Grünewald sagte, dass von Radentscheid mit der Stadt ausgehandelte Strategie-Papier sei in der Koalitions-Abstimmung „an einigen Stellen abgeschwächt worden“. Dennoch sei die Strategie „ein Riesenschritt nach vorne“.
Der Magistratsvorlage zufolge hatten sich Vertreter der Stadtverwaltung und der Initiative bis Februar 2019 zu 13 Arbeitsgruppen-Sitzungen getroffen, um die Radstrategie und ein Programm zum Ausbau des Radnetzes auszuarbeiten. Zum Teil hatten daran auch der Oberbürgermeister und die Planungsdezernentin teilgenommen. Die Stadt hatte dazu in einer Pressemitteilung vom 29. Mai 2019 wissen lassen: „Die 23 Punkte umfassende Radstrategie ist ein weiteres Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Wissenschaftsstadt Darmstadt und der Initiative Radentscheid Darmstadt.“ Die „Einigung auf ein gemeinsames Maßnahmenprogramm“ steht dagegen noch aus, wie es in der Vorlage heißt. Viele der erörterten Maßnahme erfüllten bisher „aus Sicht des Radentscheids“ nicht die geforderten Qualitätsansprüche.
Dennoch beschloss der Ausschuss ein weiteres Radweg-Projekt. So sollen auf beiden Seiten der Teichhausstraße zwischen Roßdörfer Platz und Soderstraße im Zuge der anstehenden Fahrbahn-Erneuerung die Radstreifen auf 1,85 bis 2,20 Meter verbreitert werden. Die Parkplätze auf beiden Seiten fallen dafür weg.
Von Joachim Nieswandt