Ein Dutzend Mädchen ist an diesem schwülheißen Vormittag ins Dachgeschoss der Viktoriaschule gestiegen, um einen Schrank voller Kabel, Stecker, Elektronik und Computer in...
DARMSTADT. Ein Dutzend Mädchen ist an diesem schwülheißen Vormittag ins Dachgeschoss der Viktoriaschule gestiegen, um einen Schrank voller Kabel, Stecker, Elektronik und Computer in Beschlag zu nehmen. Dass das neue Tonstudio der Schule zunächst ausschließlich weibliche Kundschaft anzieht, hätte Lehrer Christian Carra nicht unbedingt gedacht, gibt er zu. Freut sich aber über den Zuspruch am ersten Projekttag im neuen Technikraum. Eine Woche lang soll hier musiziert werden, das Ganze in semi-professioneller Technik aufgenommen. Allein zum Singen und Gitarre zupfen sind die Mädels jedenfalls nicht gekommen.
Carra fragt, was sie sich von dem Projekt erwarten. „Ich will lernen, wie man mit so einem Programm umgeht“, sagt Marie. Und die Nachbarin? „Das Programm lernen.“ So geht es weiter in der kleinen Runde.
Der Lehrer staunt, betont aber, dass es schon auch ums gemeinsame Musizieren gehen soll. Das geht in Ordnung: Instrumente spielen die Mädchen sowieso. Klavier, Geige, Gitarre, Klarinette, Querflöte, Trompete – es kommt so einiges zusammen in der Runde. „Super“, sagt Carra, „da haben wir ja ’ne ganz schöne Band beisammen.“ Die wird noch von sich hören lassen. Denn dafür ist das neue Tonstudio gedacht.
Singer-Songwriter tüfteln eigenen Sound aus
Dass es an einer so musikalischen Schule wie der Viko viele Talente gibt, ist bekannt. Dass es neben guten Instrumentalisten und Chorsängern auch hoffnungsvolle Singer-Songwriter gibt, beginnt sich erst rumzusprechen. Für die wäre das Studio ein ideales Werkzeug, um ihre Ideen zu testen und zusammen mit Mitschülern auszuarbeiten, dachte sich Carra. Der junge Sport- und Mathelehrer spielt selbst in einer Band namens „Strandakustik“ und weiß, wie viel Spaß es macht, seinen eigenen Sound auszutüfteln. Moderne Aufnahmetechnik kann dabei helfen.
Carra überzeugte den hauseigenen Förderverein, das Studio zu fördern. Zwei Jahre lang wuchs das Projekt, rund 10 000 Euro flossen hinein in den technischen Zauberschrank. Instrumente gehören auch dazu. Auf einer kleinen Bühne können die Songwriter ihre Ideen bei „Klassenkonzerten“ in fast privat anmutendem Rahmen vorstellen.
Larissa, 16, gehört zu den Schülerinnen, die bisher daheim an eigenen Ideen bastelten. „Ein bisschen jazzig“ sei das jüngste Stück, das zurzeit in Arbeit ist, sagt sie. Inspiration findet sie bei Ella Fitzgerald und Herbie Hancock – nicht die schlechtesten Referenzpunkte. Man darf gespannt sein, wie sich das Ergebnis anhört, wenn es nächste Woche beim Abschlussfest vorgestellt wird, vielstimmig arrangiert und gut abgemischt.
Auch die Öffentlichkeit bekommt mit, was in der Küche unterm Dach gezaubert wird. Ein Track namens „Waterfall“ machte bereits in der Stadt die Runde. Die aufmerksamen Talentscouts der Centralstation klopften bei Sängerin Sophie Gross an. Die Viko-Schülerin ließ ihre ausdrucksstarke Stimme erst im Carree hören, und jetzt vor 3000 Leuten auf dem Schlossgrabenfest – zusammen mit Lehrer Christian Carra.