Der Darmstädter Verein Solidarische Landwirtschaft bildet einen Wirtschaftskreis mit dem Egelsbacher Birkenhof. Davon profitieren die Mitglieder und der Landwirt.
Von Lale Artun
Im Gemüsedepot beim Hoffart-Theater machen sich (von links) Bernd Preuß und Charlie Roche nützlich. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT - Im Depot der Darmstädter Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) am Hoffart-Theater herrscht an diesem Abend launiges Treiben - und das, obwohl der fensterlose Raum, in dem die "SoLaWis" ihr Gemüse abholen, kaum Platz für ein solches Treiben bietet: Überall stehen Kisten voller Gemüse und Getreide, auf den Edelstahlablagen stapeln sich Eier. Immer dienstags und mittwochs kommen die Mitglieder der Darmstädter SoLaWi hier zusammen, um ihre Ernteanteile abzuholen.
Charlie Roche ist im Vorstand der SoLaWi Darmstadt, die sich seit 2017 als Verein organisiert. SoLaWi, erklärt er, ist eine Initiative, bei der Verbrauchergruppen, meist private Haushalte, auf lokaler Ebene mit einem oder mehreren Partner-Landwirten kooperieren. Die Verbraucher geben dem Landwirt eine Abnahmegarantie für seine Erträge und übernehmen somit - meist durch einen jährlichen Festbetrag - auch dessen wirtschaftliche Risiko. Fällt die Saison gut aus, bekommen die Mitglieder mehr für ihr Geld, bei einer nicht so guten Saison dagegen weniger.
Regional, bio und fair für die Landwirte
Dafür erhalten sie Einblick in und Einfluss auf die Produktion dessen, was sie vom Landwirt beziehen - und das bedeutet: Regionale und saisonale Bioprodukte, also genau das, was sich heute viele Verbraucher wünschen. In Darmstadt gibt es die SoLaWi seit 2011, damals waren 25 Gemüse-Begeisterte dabei, inzwischen sind es schon über achtzig.
OBST- UND GEMÜSEANTEILE
Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft beziehen ihr Obst und Gemüse vom Egelsbacher Birkenhof anteilig. Ein Gemüseanteil für 2019 kostet 984 Euro, ein Anteil der Obsternte 165 EuroDazu kommen jährlich 30 Euro Vereinsbeitrag.
Vorstandsmitglied Charlie Roche: "Wer auf dem Bauernmarkt einkauft, gibt beinahe genauso viel aus." Trotzdem könne sich nicht jeder die Solidarische Landwirtschaft leisten, weshalb man im Verein auch über alternative, flexiblere Bezahlsysteme diskutiere. (lart)
Das Konzept kannte Roche schon aus seinem Geburtsland Frankreich, "da dachte ich mir, so etwas muss es in Deutschland doch auch geben". Gibt es auch, die Anmeldung bei der SoLaWi Darmstadt war dann nur noch reine Formsache. Roche ist überzeugt von dem Konzept, bei dem es ihm nicht nur um die guten Produkte geht: "Ich mache das erstens, weil das, was man erhält, bio ist", erklärt Roche, "zweitens, weil es regional ist, und drittens, weil es fair ist." Gerade dieser Punkt sei vielen Mitgliedern der SoLaWi in Darmstadt besonders wichtig: "Der Bauer bekommt am Ende einen fairen Preis für seine Ernte", so Roche: "Und um Solidarität mit den lokalen Landwirten geht es schließlich auch."
Die Solidarität der Darmstädter gilt seit 2011 Arno Eckert. Der Landwirt betreibt den Egelsbacher Birkenhof bereits in zweiter Generation. Ihn beschäftigt, "dass die Leute gar keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft haben", so der Landwirt. Sein Wunsch: "Sie müssen sich wieder mit landwirtschaftlichen Prozessen beschäftigen", und jedem müsse bewusst sein, dass es "nicht immer alles gibt."
Landwirt kann Anbau besser kalkulieren
Auch Bernd Preuß weiß das. Er ist seit vier Jahren bei der SoLaWi, seine Essgewohnheiten hätten sich durch die Initiative verändert: "Früher hat man sich überlegt, was man essen will und dann eingekauft", erinnert sich der Fünfundsechzigjährige: "Jetzt ist es andersherum. Der Kühlschrank ist voll, und je nach Saison gibt es Unterschiedliches."
Der Landwirt freut sich über den Enthusiasmus seiner Gemüse-Gemeinschaft. Den engen Austausch mit der Gruppe sieht er als wichtigen Teil des Prinzips: "Für mich war der Gedanke von SoLaWi immer: Eine Art große Familie lebt von einem Hof und das ist ihr gemeinsames Projekt", so Eckert. Dazu gehöre auch, dass Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen würden, auch was den Anbau und die Ernte betreffe. 2018 habe er beispielsweise auf Wunsch zum ersten Mal Süßkartoffeln ausprobiert - "die sind gut angekommen und sind für dieses Jahr wieder geplant". Für Eckert ist die Arbeit mit der SoLaWi eine Herzensangelegenheit, das merkt man ihm an, aber auch eine wichtige wirtschaftliche Erleichterung. Kleinbäuerliche Familienbetriebe, wie den Birkenhof, gibt es nur noch wenige in Deutschland, gegen die hoch spezialisierten Massenbetriebe haben sie kaum eine Chance zu Überleben.
Durch die Zusammenarbeit mit der Darmstädter Gruppe kann Eckert seinen Anbau besser kalkulieren. In der Initiative sieht der Landwirt eine Möglichkeit, kleinbäuerliche Strukturen zu schaffen und zu erhalten. Er sieht die Initiative als Chance: "Früher hieß es immer: Wachsen oder Weichen. Da war das Höfe-Sterben bitterer Alltag. SoLaWi ist vielleicht ein Ansatz, um diesem Dogma etwas entgegenzusetzen."