Gluten ist zur Zeit in aller Munde – oder eben gerade nicht, da die Furcht vor Gluten epidemisch anschwillt. So ernähren sich in den USA mittlerweile bis zu 30 Prozent der...
DARMSTADT. Gluten ist zur Zeit in aller Munde – oder eben gerade nicht, da die Furcht vor Gluten epidemisch anschwillt. So ernähren sich in den USA mittlerweile bis zu 30 Prozent der Menschen glutenfrei oder glutenreduziert. In Deutschland sollen es sieben Prozent sein. Dem gegenüber steht die deutlich seltenere Erkrankung der immunologischen Glutenunverträglichkeit.
Wie sind die Fakten? Gluten ist ein natürlicher Bestandteil vieler Getreidesorten (Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel), das als Klebereiweiß die klebrige Konsistenz des Teigs und der Backwaren ausmacht. Es ist also ein guter Bestandteil des Getreides und nichts Schlechtes. Wenn Menschen allerdings eine immunologische Unverträglichkeit für Gluten entwickeln, die im klassischen Fall zu Strukturschäden der Dünndarmschleimhaut führt, dann entwickelt sich eine Krankheit, die wir Zoeliakie oder Sprue nennen. Folge dieser Dünndarmschädigung sind Durchfälle, Blähbauch, Gewichtsverlust, Eisenmangel und viele verschiedene weitere Symptome.
Nur lebenslange Diät hilft bei Erkrankung
Die Häufigkeit dieser Erkrankung liegt in Deutschland bei etwa einem Prozent. Es ist wichtig, bei Verdachtsmomenten nach dieser Erkrankung zu suchen, da nur durch eine konsequente lebenslange Diät ein beschwerdefreies Leben und die Vermeidung von Folgeerkrankungen gelingen. Familienangehörige von erkrankten Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, ebenso eine Zoeliakie zu entwickeln. Dies liegt an der erblichen Veranlagung. Die Zoeliakie ist mit anderen Autoimmunerkrankungen vergesellschaftet: So sollte bei Nachweis von Diabetes mellitus Typ 1 oder einer Schilddrüsenunterfunktion (Typ Hashimoto) auch nach einer Zoeliakie gesucht werden. Dies geschieht typischerweise durch eine Blutuntersuchung.
Unabhängig von dieser immunologischen Glutenunverträglichkeit gibt es manche Menschen, die Gluten nachweislich nicht vertragen, ohne dass sich eine Krankheit feststellen lässt. In diesem Fall wird dies als Glutenempfindlichkeit bezeichnet.
Naturstoffe im Weizen können Probleme machen
Und um die Sache noch komplexer zu machen: Es gibt auch eine Weizenunverträglichkeit, die mit Gluten selbst nichts zu tun hat, sondern auf Naturstoffe im Weizen zurückzuführen ist, die den Weizen resistent gegen Schädlinge machen. In diesem Fall kann es ausreichen, Weizen zu meiden und zum Beispiel auf Roggen und Dinkel auszuweichen.
Insgesamt aber ist der Anteil der Bevölkerung, der Gluten meiden muss, mit einem Prozent gering und entspricht nicht dem zunehmenden Marktanteil glutenfreier (teurer) Lebensmittel. Häufig liegen den wahrgenommenen Beschwerden (etwa Durchfall, Blähbauch) andere Lebensmittelunverträglichkeiten, entzündliche Magen-Darm-Erkrankungen oder ein Reizdarm zugrunde. Bei Verdacht auf eine Glutenunverträglichkeit sollten Patienten daher mit ihrem Arzt über sinnvolle Untersuchungsschritte sprechen, um eine Glutenunverträglichkeit bestätigen oder ausschließen zu können.
Von Dr. Ulrich Heil