Samstag,
21.11.2020 - 06:00
4 min
Früher war’s irgendwie handfester

Von Birgit Femppel
Stellvertretende Redaktionsleiterin Lokalredaktion Darmstadt

Arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr beim Echo: Grafiker Klaus Lohr. (Foto: Guido Schiek)
Darmstadt - Es war am 1. August 1975. Der 16 Jahre alte Klaus Lohr trat den Weg ins Arbeitsleben an, in einer nagelneuen Hose und einem nagelneuen T-Shirt – extra gekauft. In der Holzhofallee 25–31 begann er seine Lehre als Schriftsetzer. Beim Darmstädter Echo – und nicht etwa bei der Heimatzeitung Groß-Gerau, die der Leeheimer aus seinem Heimatort natürlich kannte. „Die Heimatzeitung, war eher ländlich geprägt“, sagt er. Seine Eltern hatten damals das ECHO abonniert. Mit mehr Informationen aus Darmstadt und der wöchentlichen Kinderseite von Fritz Flitzebogen, die Klaus schon als Grundschüler liebte.
Nun kam Klaus in eine Welt, die nach Blei und Farbe und Papier roch. Nicht nur beim ECHO – im ganzen Verlagsviertel. Und weil das ECHO damals auch noch eine Buchdruckerei hatte, gab es hier nicht nur täglich die neue Zeitung, sondern es wurden auch Produktberichte von Merck oder Beipackzettel für Medikamente produziert – und das Bundesadressbuch.
Klaus Lohrs Kollegen waren Männer in grauen Kitteln, sein Lehrmeister war Kurt Kalweit, der Vater des späteren Sportredakteurs.
Im ECHO nutzte Lehrling Lohr die Gelegenheit, Fritz Flitzebogen, den Helden seiner Kinderzeit, endlich mal persönlich zu treffen. Und staunte nicht schlecht: Fritz Flitzebogen war eine Frau! Petra Neumann-Prystaj hatte von Echo-Express-Legende Alphons Rumstadt die Kinderseite übernommen. Auch Petra Neumann-Prystaj wurde zur ECHO-Legende. Vor sieben Jahren ging sie nach 45 Jahren Lokalredaktion in den Unruhestand.
Nun kam Klaus in eine Welt, die nach Blei und Farbe und Papier roch. Nicht nur beim ECHO – im ganzen Verlagsviertel. Und weil das ECHO damals auch noch eine Buchdruckerei hatte, gab es hier nicht nur täglich die neue Zeitung, sondern es wurden auch Produktberichte von Merck oder Beipackzettel für Medikamente produziert – und das Bundesadressbuch.
Klaus Lohrs Kollegen waren Männer in grauen Kitteln, sein Lehrmeister war Kurt Kalweit, der Vater des späteren Sportredakteurs.
Im ECHO nutzte Lehrling Lohr die Gelegenheit, Fritz Flitzebogen, den Helden seiner Kinderzeit, endlich mal persönlich zu treffen. Und staunte nicht schlecht: Fritz Flitzebogen war eine Frau! Petra Neumann-Prystaj hatte von Echo-Express-Legende Alphons Rumstadt die Kinderseite übernommen. Auch Petra Neumann-Prystaj wurde zur ECHO-Legende. Vor sieben Jahren ging sie nach 45 Jahren Lokalredaktion in den Unruhestand.
Gedruckte Bleizeilen in hauseigener Gießerei eingeschmolzen
Als Klaus Lohr zum ECHO kam, standen in der Akzidenzsetzerei Schränke voller Lettern, tonnenschwer, „hunderttausende, wohlgeordnet“, wie es in einer Firmenbroschüre aus den sechziger Jahren nachzulesen ist. „Bei aller Bedeutung des maschinellen Zeilengusses: Er wird den Handsatz im Werkdruck nicht ganz verdrängen – von dort, wo es auf Änderungen und Korrekturmöglichkeiten ankommt“ – das steht dort auch. In der Zeitungssetzerei dagegen ging es lauter und hektischer zu. Hier standen die Linotype-Setzmaschinen: Die Setzer forderten über eine Schreibmaschinentastatur die Messingmatrizen an, in denen Zeile für Zeile in Blei gegossen wurde. Die gedruckten Bleizeilen konnten nicht weiterverwendet werden, wurden gesammelt, in der hauseigenen Gießerei eingeschmolzen und zu Stangen gehärtet. Für den nächsten Einsatz in der Zeilensetzmaschine. „Der Bleisatz hatte so was Handfestes“, sagt Klaus Lohr. Und er war Teil davon.
Der erste große Umbruch kam Anfang der Achtziger mit dem Fotosatz. Das Blei hatte ausgedient, jetzt wurde elektronisch gesetzt und auf Papier oder Film ausbelichtet. Mit Schere und Skalpell haben wir Positivfilme und Fotobelichtungen ausgeschnitten und auf Seiten und Druckbogen montiert“, erinnert er sich.
Mit Anfang 20 kündigte Schriftsetzer Lohr beim ECHO. Er wollte auf die Schule, sein Fach-Abi machen, Grafik studieren. Am Wochenende nach der Kündigung entdeckte er im Stellenteil, dass das ECHO einen Grafiker suchte. Er ging zum damaligen Technischen Leiter und fragte, warum ihm keiner Bescheid gesagt hätte? „Das machen nur Studierte“, lautete die Antwort. Klaus Lohr verhandelte eine Probezeit, bekam den Job und behielt ihn bis heute. Damals wurde alles von Hand gezeichnet. Reißschiene, Tuschestifte und Marker waren das Handwerkszeug, Vorlagen wurden auf Layout- und Transparentpapier durchgezeichnet, „da hat eine Zeitungsgrafik oder Landkarte schon mal zwei Tage -gedauert, da haste aber auch nix anderes gemacht“.
Der erste große Umbruch kam Anfang der Achtziger mit dem Fotosatz. Das Blei hatte ausgedient, jetzt wurde elektronisch gesetzt und auf Papier oder Film ausbelichtet. Mit Schere und Skalpell haben wir Positivfilme und Fotobelichtungen ausgeschnitten und auf Seiten und Druckbogen montiert“, erinnert er sich.
Mit Anfang 20 kündigte Schriftsetzer Lohr beim ECHO. Er wollte auf die Schule, sein Fach-Abi machen, Grafik studieren. Am Wochenende nach der Kündigung entdeckte er im Stellenteil, dass das ECHO einen Grafiker suchte. Er ging zum damaligen Technischen Leiter und fragte, warum ihm keiner Bescheid gesagt hätte? „Das machen nur Studierte“, lautete die Antwort. Klaus Lohr verhandelte eine Probezeit, bekam den Job und behielt ihn bis heute. Damals wurde alles von Hand gezeichnet. Reißschiene, Tuschestifte und Marker waren das Handwerkszeug, Vorlagen wurden auf Layout- und Transparentpapier durchgezeichnet, „da hat eine Zeitungsgrafik oder Landkarte schon mal zwei Tage -gedauert, da haste aber auch nix anderes gemacht“.
„In den Siebzigern gab’s den sauren Regen und das Waldsterben“
Ende der 80er kam der erste Apple- Computer – mit Scanner! – 20 000 Mark hat er damals gekostet. In Lohrs Abteilung wurden damit die ersten Desktop-Publishing-Versuche im ECHO gestartet. Das war die Zeit, als die Getränkeautomaten in der Firma noch Bier enthielten. Heute kaum vorstellbar. Und damals wurde auch noch ECHO-Fastnacht gefeiert.
Klaus Lohr ist nicht nur Grafiker, er ist auch ein Original aus dem Ried. Mit seinem Mundart-Duo „Bees Denäwe“ tritt er in ganz Südhessen auf. So war schon der junge Klaus auserkoren, das jährliche ECHO-Fastnachtslied zu schreiben („Herr Bach, Herr Bach, ich fühl misch heit so schwach“), es gab eine offene Bühne mit Büttenreden, einen Rat und eine Polonaise durchs Büro von Verleger Max Bach, der jeweils eine Spende für das Fastnachtsbudget überreichte. „Das war sehr familiär damals“, sagt Klaus Lohr, heute 61.
Der Apple-Mac war der Beginn einer neuen Ära, nach dessen Prinzip noch heute gearbeitet wird.
Die Seiten werden am Computer gestaltet, zusammengestellt und direkt auf die Druckplatten kopiert. Inzwischen hat Grafiker Lohr in seiner täglichen Arbeit mehrere Berufe integriert, die es nicht mehr gibt: Den Setzer, den Metteur, den Retuscheur.
Die Aufbereitung von Datenjournalismus für Echo Online ist seine nächste große berufliche Herausforderung. „In den Siebzigern gab’s den sauren Regen und das Waldsterben – damals haben wir unter Kollegen diskutiert, wie das Ende unseres Berufslebens aussehen könnte. Manche haben geglaubt, dass durch schwindende Holzressourcen das Papier knapp werden würde“, sagt Klaus Lohr. „Dass es einmal digitale Medien geben könnte, davon hatten wir absolut nichts geahnt.“
Klaus Lohr ist nicht nur Grafiker, er ist auch ein Original aus dem Ried. Mit seinem Mundart-Duo „Bees Denäwe“ tritt er in ganz Südhessen auf. So war schon der junge Klaus auserkoren, das jährliche ECHO-Fastnachtslied zu schreiben („Herr Bach, Herr Bach, ich fühl misch heit so schwach“), es gab eine offene Bühne mit Büttenreden, einen Rat und eine Polonaise durchs Büro von Verleger Max Bach, der jeweils eine Spende für das Fastnachtsbudget überreichte. „Das war sehr familiär damals“, sagt Klaus Lohr, heute 61.
Der Apple-Mac war der Beginn einer neuen Ära, nach dessen Prinzip noch heute gearbeitet wird.
Die Seiten werden am Computer gestaltet, zusammengestellt und direkt auf die Druckplatten kopiert. Inzwischen hat Grafiker Lohr in seiner täglichen Arbeit mehrere Berufe integriert, die es nicht mehr gibt: Den Setzer, den Metteur, den Retuscheur.
Die Aufbereitung von Datenjournalismus für Echo Online ist seine nächste große berufliche Herausforderung. „In den Siebzigern gab’s den sauren Regen und das Waldsterben – damals haben wir unter Kollegen diskutiert, wie das Ende unseres Berufslebens aussehen könnte. Manche haben geglaubt, dass durch schwindende Holzressourcen das Papier knapp werden würde“, sagt Klaus Lohr. „Dass es einmal digitale Medien geben könnte, davon hatten wir absolut nichts geahnt.“