Feuer in allen Farben bekommen die Zuhörer der Weihnachtsvorlesung im Fachbereich Chemie der TU Darmstadt zu sehen. Foto: Dirk Zengel
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DARMSTADT - Etwas ist faul im Fachbereich Chemie der Technischen Universität. Studenten verschwinden, und Experimente misslingen. Für Professor Reinhard Meusinger ist der Fall klar: Es spukt. Und den Spuk muss man mit laut knallender Chemie in der Weihnachtsvorlesung vertreiben.
„Chemical Horror Story“ war am Donnerstag das Motto der 15. Weihnachtsvorlesung im Kekulé-Hörsaal an der Lichtwiese. Zur Experimentalvorlesung gehörten auch am Motto ausgerichtete lustige Kurzfilme der Arbeitsgruppen. In einem suchten Studierende esoterischen Rat beim Chemie-Orakel, das in einer verwinkelten Kammer residierte.
„Was soll ich für die Klausur lernen?“, fragte eine verzweifelte Studentin. Ein Hexenbrett offenbarte den Buchstabencode A-L-L-E-S. In anderen Filmen schlichen Geister durch die Labore und ließen Mitarbeiter verschwinden.
SEIT 2002
Seit 2002 organisieren und veranstalten die Professoren Michael Reggelin und Reinhard Meusinger alljährlich diese Vorlesung, die ein echter Geheimtipp ist. Die Vorbereitungsarbeiten dazu beginnen bereits im Oktober und mittlerweile beteiligt sich fast der gesamte Fachbereich Chemie daran. Die Experimentalshow wird gemeinsam mit Stefan Immel und anderen Mitarbeitern des Instituts für Organische Chemie sowie mit Studierenden durchgeführt. (red)
„Wir brauchen auch Euphorie und nicht nur Entropie und Enthalpie“, rief Reinhard Meusinger zum Vorlesungsbeginn und bat die Zuschauer im vollen Hörsaal mitzumachen. Auf den Plätzen lagen fluoreszierende Knicklichter, mit denen man im abgedunkelten Saal wedelnd die Geisterjäger an der großen Laborbank unterstützen konnte.
Ein wunderschöner Weihnachtsvorlesungsklassiker machte den Anfang. Grün, blau und orange fluoreszierende Flüssigkeiten – ähnlich wie die in den Knicklichtern – durchflossen bei sphärischer Musik einen Apparat aus gläsernen Röhren, Spiralen und Schlangenkühlern. Der beschauliche Anblick wurde durch vier Explosionen jäh beendet: Hinter der Laborbank lagen mit Wasserstoffgas gefüllte Ballons, die über Zündschnüre gezündet wurden.
Effektreich, aber chemisch recht einfach waren die drei Schaumfontänen, die plötzlich aus Reagenzgläsern mit wenig Flüssigkeit schossen. „Der Schaum ist im wesentlichen Spüli mit Wasserstoffperoxid“, erklärte Professor Michael Reggelin nach der Vorlesung. Wasserstoffperoxid zerfällt zu Wasser und Sauerstoff, und der Sauerstoff lässt das Spülmittel heftig aufschäumen.
Auch ein Bestandteil der von den Zuschauern beklatschten Vorstellung waren farbige Flammenteppiche in großen Schalen. „Grün ist eine Borverbindung, rot kommt vom Lithium und orange vom Methanol“, erläuterte Dr. Stefan Immel.
Zum Schluss zündeten die Chemiker noch ihren Weihnachtsbaum an, geflochten aus Stahl und Schießbaumwolle, damit er auch schön orange durchglühte.
Was so locker in der Weihnachtsvorlesung rüberkommt, ist von rund 20 Bachelor- und Masterstudierenden sowie Doktoranden lange geplant und geprobt. „Nach der Weihnachtsvorlesung ist vor der Weihnachtsvorlesung“, sagte Reinhard Meusinger am Rande der Veranstaltung. Ab Januar mache man sich schon erste Gedanken zum nächsten Thema. „Ab Oktober wird es dann ernst“, erläuterte er weiter. Und das schon bei einfachen Sachen. „Wir müssen nämlich schauen, dass wir auch den Hörsaal bekommen.“
Vorbereitung nimmt viel Zeit in Anspruch
Man treffe sich ab diesem Zeitpunkt einmal die Woche, um die Story zu entwickeln, welche die Demonstrationen verbindet, erzählte Reinhard Meusinger. Dann müsse man die Chemikalien besorgen und die Versuche vorbereiten. „Jedes Experiment wird mindestens einmal vorher probiert“, betonte Meusinger. Am Tag vor der Vorlesung sei man wegen der Vorbereitungen erst nach 24 Uhr aus der Universität weggekommen.
Michael Reggelin verriet nach der gelungenen Veranstaltung, dass er bei der Generalprobe in Schwitzen gekommen sei, da einige Versuche nicht geklappt hätten.