In der Glashütte Lamberts in Waldsassen wird das Flachglas geblasen, aus dem Glasermeister Hans Grobbauer die Motive zusammensetzt.
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MARTINSVIERTEL - Hell fällt das Sonnenlicht durch das rote Glas. Glasermeister Hans Grobbauer hat die mundgeblasene Scheibe für die neuen Chorfenster von St. Elisabeth in seiner Werkstatt in Arheilgen zu Demonstrationszwecken extra ans Fenster gestellt. Fehlt das Sonnenlicht, wirkt das Rot einer weiteren Scheibe, die auf einem Schneidetisch in der Glaserei liegt, gänzlich anders. Das Glas ist dunkel, an den Rändern fast schwarz. „Das ist der Unterschied von Durchlicht und Auflicht“, sagt Grobbauer.
In der Abstimmung auf unterschiedliche Lichtverhältnisse liegt eine der Herausforderungen bei der Verglasung der neun Chorfenster in Darmstadts zweitältester katholischer Kirche. Die vom Darmstädter Design-Studenten Markus Hau entworfene Fenster-Komposition soll bei Sonnenlicht ebenso wie bei wolkigem Himmel ihre Wirkung entfalten.
Hau arbeitet in seinem von der Kirchengemeinde 2014 mit großer Mehrheit ausgewählten Entwurf mit ineinanderfließenden Farbverläufen, die von einem dunklen Blau-Grün über ein helles Gelb bis zu einem leuchtenden, kräftigen Rot reichen. Darin soll das „Auf und Ab des Lebens“ sichtbar werden, hatte der Student der Hochschule Darmstadt bei der Vorstellung des Projekts im Juni gesagt. „An einem trüben Wintertag muss man gerade noch ein bisschen blau erkennen können“, erläutert Grobbauer. Und an einem hellen Sommertag solle das Blau „eher düster sein“.
OHNE SPENDEN GEHT ES NICHT
Mit dem Einbau der neuen Chorfenster endet in St. Elisabeth ein jahrzehntelanges Provisorium.
Die ursprünglichen Fenster waren im Zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff im Dezember 1944 zerstört und später mit einer einfache Verglasung ersetzt worden.
Die 420 000 Euro für die neuen Fenster muss die Gemeinde allein aufbringen. Das Bistum Mainz, das dem abstrakten Entwurf des Studenten Markus Hau anfangs reserviert gegenüberstand, gibt nach Angaben von Projektleiter Edwin Christl nichts dazu. 320 000 Euro finanziert die Gemeinde aus Eigenmitteln, die restlichen 100 000 Euro mit Spenden.
So gibt etwa die Brassband EsBrassivo am Samstag, 16. Dezember, um 19.30 Uhr in der Kirche ein Benefizkonzert. (jon)
Eine weitere Herausforderung ist die Größe der mundgeblasenen Scheiben, die anderes als traditionelle Kirchenfenster mit ihren kleinteiligen Mosaiken ein Format von 73 auf 82 Zentimeter haben. Für die Glasbläser sei diese Größe eine „extreme Anforderung“, sagt Grobbauer. Sie bräuchten daher mehr Erholungspausen. Die für die neun Kirchenfenster bestellten 215 Scheiben werden denn auch deutlich langsamer als erwartet von der Glashütte Lamberts in Waldsassen in der Oberpfalz geliefert. Deshalb werden die neuen Chorfenster nicht wie ursprünglich erhofft bereits vor Weihnachten fertig. Lamberts ist einer von drei Herstellern in der Welt, die noch mundgeblasenes Flachglas herstellen. Dafür wird die flüssige Glasmasse bei Temperaturen von 1000 bis 1200 Grad von einem Glasbläser zu einem langen Kolben ausgeblasen. Dieser wird an den Enden aufgeschnitten und zu einer Röhre geweitet, die im Schmelzofen wieder erhitzt, längs aufgeschnitten, auseinandergebogen und am Ende nach beiden Seiten flach ausgewalzt wird. Die Hütte bietet das Glas in 5000 Farben an. Die Färbung entsteht durch Eisen, Nickel, Kupfer, Gold, Silber und weitere Metalle, die der flüssigen Glasmasse in unterschiedlichen Dosierungen beigemischt werden.
Goldpartikel sorgten beispielsweise für die Rottönung des Glases, sagt Grobbauer. Durch sie werde das einfallende Licht so gebeugt, dass das Glas vom Auge als rot wahrgenommen werde. Ähnlich sorgt etwa Kobalt für die Blautönung. Gleichzeitig spielt auch die Verarbeitungstemperatur nach den Worten des Darmstädter Glasermeisters bei der Farbschattierung eine Rolle. „Die Ergebnisse sind zu einem bestimmten Maß zufällig.“
Bei 600 Grad nochmal in den Brennofen
Geliefert werden die 0,3 bis 0,6 Zentimeter dicken Scheiben im Format 80 mal 90 Zentimeter. Grobbauer, dem das Projekt sichtbar Freude macht, schneidet sie in seiner Glaserei zurecht und übernimmt den Feinschliff der Farbabstimmung, damit die einzelnen Scheiben sich am Ende zum gewünschten Gesamtbild fügen. So ätzt er etwa ein Paar hundertstel Millimeter von der Glasoberfläche weg, damit der Farbton etwas heller erscheint. Oder er spritzt keramische Farben auf oder bringt weitere Silberpartikel auf, bevor alles noch einmal bei 600 Grad in den Brennofen kommt.
Bis alle Scheiben geliefert, nachbearbeitet und im Chorraum der neugotischen Kirche am Herrngarten montiert sind, werden noch ein paar Monate ins Land gehen. Bis Ostern werde wohl alles fertig sein, schätzen Grobbauer und der Projektleiter von St. Elisabeth, Edwin Christl. Montiert ist indes bereits die neue Schutzverglasung der Fenster, die Regen, Wind und Schmutz von den mundgeblasenen Unikaten abhält.