Es heult: Sirenen-Probealarm in Darmstadt

Ein Bündel von Schalltrichtern soll den Sirenenalarm bis hinter die letzte dreifachverglaste Fensterscheiben bringen: Hochleistungssirene in Bessungen. Die alten Pilzköpfe werden nach und nach ersetzt.       Archivfoto: André Hirtz

Wie an jedem ersten Mittwoch im Monat haben auch am 5. Januar die Sirenen in Darmstadt geheult. Anders als andere Städte hat die Stadt ihr analoges Alarmsystem nicht abgebaut.

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DARMSTADT. Wie an jedem ersten Mittwoch im Quartal heulen auch am 5. Januar in Darmstadt die Sirenen. „Der Alarm dient dazu, die Funktionsfähigkeit der Anlagen zu überprüfen und steht nicht im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie“, teilt die Stadt mit.

Zu hören ist ab 10.01 Uhr ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton. Er ruft im Ernstfall dazu auf, sofort in das nächste geschlossenen Gebäude zu gehen, Fenster und Türen zu schließen und auf weitere Verhaltensregeln per Rundfunk oder WarnApp zu warten. „Das Mithören dieser Informationen ist entscheidend, weil sich Schadensereignisse von Art und vom Ausmaß her ganz unterschiedlich darstellen und deshalb unterschiedliche Verhaltensweisen durch die Bevölkerung notwendig werden können“, betont die Stadt. Um 10.05 Uhr folgt die Entwarnung: ein einminütiger Dauerton.

In Darmstadt sind 31 Sirenen über die Stadt verteilt

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Wie der erste bundesweite Warntag am 10. September 2020 gezeigt hatte, ist die flächendeckende Alarmierung der Bevölkerung gar nicht so einfach, seit die Infrastruktur nicht mehr instandgehalten oder sogar abgebaut worden war. Das Bundesinnenministerium höchstselbst hatte im September 2020 den deutschlandweiten Probealarm aufgrund von technischen Problemen als „fehlgeschlagen“ bezeichnet. Eigentlich hätten im ganzen Land um elf Uhr Sirenen und andere Warnsysteme ausgelöst werden sollen, 20 Minuten später hätte Entwarnung sein sollen.

Das hat so gründlich nicht funktioniert, dass der geplante bundesweite Warntag für September 2021 ebenfalls abgesagt werden musste. Die bestehenden Probleme sind weiterhin nicht behoben.

In Darmstadt sind 31 Sirenen über die Stadt verteilt, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Je eine gehört zu Evonik und zur HSE, „zusätzlich verfügt die Firma Merck über Sirenen, die auf Anforderung ausgelöst werden“.

Die alten pilzförmigen Warnanlagen auf den Dächern kennt jeder, die Technik ist robust und auch in Darmstadt noch im Einsatz: Elf Stück heulen auf althergebrachte Weise, zwei stehen in Wixhausen, zwei in Arheilgen, fünf in der Innenstadt und zwei in Eberstadt. „Diese Sirenen haben geringe Unterhaltungskosten und sind nicht störanfällig“, stellt Stadtsprecher Klaus Honold fest.

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Dazu kommen 16 elektrische Hochleistungssirenen neuer Bauart: ein Lautsprecherbündel an einem hohen Mast, das in verschiedene Richtungen schallt. Alleine 2021 sind fünf neue elektronische Warnanlagen dazugekommen.

Obwohl alle Stadtteile Sirenen haben, „reichen die vorhandenen derzeit nicht aus, um alle Einwohner zu erreichen“, sagt Stadtsprecher Honold. „Der Abdeckungsgrad liegt geschätzt bei 60 Prozent der Bevölkerung.“ Nicht mal jeder dritte Einwohner Darmstadts wird also derzeit im Alarmfall akustisch erreicht. „Aus diesem Grund wird das Sirenennetz in den nächsten Jahre weiter erneuert und ausgebaut“, verspricht die Stadt.

Darmstädter Bestand ist immerhin funktionstüchtig

Zur Zeit des Kalten Kriegs heulten sogar 100 Sirenen in Darmstadt. Als der vorbei war, plante der Bund das Alarmsystem ab und überließ 1992 die Pilze den Kommunen. Die entschieden individuell, ob sie abbauen oder behalten wollten. Darmstadt behielt einen Teil.

Zu den 27 heutigen Standorten sollen 20 weitere kommen, auch müssen die alten Pilze nach und nach ausgetauscht werden, weil sie nicht bis in die gedämmten Niedrigenergie-Häuser mit der Dreifachverglasung und den Luftaustauschsystemen dringen. Die elektrischen Hochleistungssirenen erzeugen einen erhöhten Schalldruck.

Immerhin ist der Darmstädter Bestand funktionstüchtig: Beim bundesweiten Warntag 2020 heulten in Darmstadt alle Sirenen bis auf eine. Bei der war „die Funkanbindung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt“, sie konnte also gar nicht ausgelöst werden.

Das Problem damals war offenbar der Zugriff von außen. Über das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickelte Modulare Warnsystem (Mowas)„soll auf Ebene von Bund, Länder und Kreisen auf alle Warnmöglichkeiten zugegriffen werden können“, schreibt die Stadt. „Der Zugriff über die unterschiedlichen Ebenen hat zu der Überlastung geführt.“ Würden die Sirenen lokal angesteuert, „funktioniert das System bisher fehlerfrei“.