Junge Architektur-Studenten zeigen derzeit in einer kleinen Schau städtebaulichen Entwürfe fürs Kapellplatz-Viertel. Sie demonstrieren, wie das ganze Quartier von dem Bauprojekt „Heinrich-Hoffmann-Schule“ profitieren könnte
Von Thomas Wolff
Lokalredakteur Darmstadt
Der Hof der neuen Hoffmann-Schule könnte nachmittags ein Platz für alle sein (oben und rechts). Autos könnten in Park- Regalen auf dem Mercksplatz gestapelt werden (links unten). Entwürfe: Leonie Ott/Max Wust; Anna-Lena Heil, Yonca Inci und Betül Yildiz (unten links).
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DARMSTADT - Mehr Grün, mehr Platz für Kinder, mehr Raum fürs Radeln und Zu-Fuß-Gehen – und zwar ohne lästiges Blech entlang der Wohnstraßen: All das könnte die östliche City in den nächsten paar Jahren gewinnen, wenn hier die neue Heinrich-Hoffmann-Schule gebaut wird.
Klingt wie die Quadratur des Kreises. Zumal der Platz an der Altstadtmauer, auf dem nach dem Willen der Stadt gebaut werden soll, knapp ist. Junge angehende Architekten machen jetzt schon mal vor, wie es gehen könnte: 29 TU-Studenten zeigen derzeit in einer kleinen Schau ihre städtebaulichen Entwürfe. Sie demonstrieren, wie das ganze Quartier von dem Bauprojekt profitieren könnte – „es kann ein Schmuckstück werden“, sagt Architektur-Professor Martin Knöll. Leicht wird das nicht.
Die Elterntaxis müssen am Quartiersrand anhalten
Der Baugrund ist überschaubar: Zwischen Altstadtmauer, Mühlstraße, Jugendstilbad und Kleinem Woog soll eine Grundschule für bis zu 300 Schüler entstehen, dazu 100 Betreuungsplätze. Ringsum enge Wohnstraßen, Sackgassen, der zugeparkte Mercksplatz und sehr wenig Grün: Das sind die Rahmenbedingungen, mit denen die Studenten im Oktober ans Werk gingen. Die Daten stammen vom Stadtplanungsamt, das das Projekt begleitet – und sich clevere Anregungen für den Wettbewerb erhoffen darf. Denn um das Platzproblem zu lösen und dabei auch noch das umliegende Quartier zu entwickeln, greifen die jungen Entwerfer zu unkonventionellen Lösungen. Größter Kniff: Alles mal aus der Augenhöhe von Zehnjährigen betrachten. „Das bringt Vorteile nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Nachbarn“, sagt Knöll.
HIER LÄUFT DIE SCHAU
Elf Entwürfe zeigen TU-Studenten des Fachbereichs Architektur für kurze Zeit im Haus an der Lichtwiese (El-Lissitzky-Straße 1, Gebäude L3/01, Raum 140). Sie zeigen städtebauliche Ideen rings um den geplanten Neubau der Heinrich-Hoffmann-Schule, Titel: „New Kids on the Woog“.
Dabei nehmen sie mehrere Standorte in den Blick – auch den umstrittenen Platz an der Rudolf-Mueller-Anlage. Zu sehen am Donnerstag von 9 bis 17 Uhr, Freitag von 9 bis 15 Uhr. Das Ganze ist ein Projekt der Forschungsgruppe „Urban Health Games“.
www.stadtspiele.tu-darmstadt.de (two)
So suchen alle elf Entwürfe nach Wegen, parkende Autos aus den Straßen zu verbannen. Skizzen zeigen die Kindersicht durchs Quartier, wie es derzeit ist: Der Gehweg ist für sie eine schmale Furt zwischen Häuserwänden und lückenlos geparkten Wagen; beim Überqueren der Straße blockieren die Autos die Sicht. Wenn jetzt noch Dutzende Elterntaxis täglich ins Quartier drängen, wird’s noch gefährlicher für die Kurzen. Die Studenten raten zu einem radikalen Schnitt.
Ein Quartier aus verkehrsberuhigten Blöcken, an deren Rändern Eltern parken und Busse halten können – und der Rest zu Fuß läuft: Das ist die Vision von Leonie Ott und Max Wust. Sie orientieren sich am Vorbild der „Superblocks“, eine stadtplanerische Idee aus Barcelona. Der Verkehr konzentriert sich entlang der größeren Straßen, die den Block begrenzen – hier die Nieder-Ramstädter Straße, die Landgraf-Georg-, Teichhaus- und Kirchstraße. Da liegen die „Drop-Off“-Punkte, an denen automobile Eltern die Schulkinder rauslassen.
Die Anwohner und Besucher des Viertels kommen hier mit Bussen und Bahnen an, können an Knotenpunkten Räder leihen und Elektroautos. Im Inneren des Karrees herrscht Ruhe. Breitere Gehwege, ein Grünzug quer durchs Quartier, und, klar, der Darmbach fließt auch offen durch alle Entwürfe vom Woog in Richtung Innenstadt. Der Schulhof, der sich zwischen Altstadtmauer und Jugendstilbad öffnet, wird nach Schulschluss zur Spielwiese für alle.
Auch für den „ruhenden Verkehr“ gibt es Ideen. „Wir wollen das Parken in den Innenhöfen stärken“, sagt Marianne Halblaub Miranda, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Diese Idee verfolge auch die Stadt schon. Man könne „alte Garagenhöfe wieder nutzen“, sagt die Forscherin. Die seien oft vernachlässigt, während die Wagen sich draußen auf der Gasse drängeln – wie entlang der schmalen Mühlstraße, die direkt ans neue Schulgrundstück grenzt.
Auf dem Mercksplatz parken Autos vertikal
Andere Möglichkeit: Autos und Räder in einem „Park-Regal“ zu stapeln. Zwei der schmalen, hohen Parkhäuser stellen sich Studenten auf dem Mercksplatz vor dem Jugendstilbad vor (Entwurf: Anna-Lena Heil, Yonca Inci und Betül Yildiz). Das kühne Ding dient zugleich als Lärmschutzwand. Ein schmaler Steg für Fußgänger und Radler überspannt daneben die Nieder-Ramstädter Straße, die den Platz teilt.
Auf den Hauptstraßen, die das Viertel säumen, könnten ein paar Fahrspuren weg, um das Überqueren sicherer zu machen, finden einige Entwerfer. Sie verordnen der Nieder-Ramstädter Straße eine Diät: „Road Diet“ nennt sich das im Planerdeutsch, erklärt Professor Knöll. Fließen würde der Verkehr trotzdem – nur langsamer und sicherer für alle.
Ein „kindgerechtes Quartier“ könnte am Ende entstehen, sagt Knöll. Attraktiv auch für junge Familien, die es in Richtung Innenstadt zieht. Die Schule wäre dann schon mal vor der Haustür.