Die erste Bewegungsakademie in Darmstadt befasst sich mit den Gehstörungen von Parkinson-Patienten.
DARMSTADT. Es war die neu entwickelte Einlegesohle für das Gangtraining von Parkinson-Patienten, die Professor André Seyfarth vom Lauflabor der TU Darmstadt dazu motivierte, die erste Darmstädter Bewegungsakademie ins Leben zu rufen. Vom 4. bis 5. Juni kommen Studierende der Sportwissenschaften, Entwickler, Wissenschaftler, Mediziner, Patienten, Bewegungskünstler und Trainer zu einem übergreifenden Dialog zusammen, in dessen Mittelpunkt die menschliche Bewegung steht.
Als Coach und Wissenschaftler unterstützt Seyfarth die Jung-Unternehmer der aus der TU Darmstadt ausgegründeten Spin-Off Firma NovaPace. Sie lieferten ihm die Initialzündung für diese Tagung, denn sie sind es, die jene sensorische Einlegesohle mit Rückmeldung ausgetüftelt haben. Damit wird das Gang- und Bewegungstraining von Parkinson-Patienten intensiviert, sollen Stürze verhindert werden.
Patienten bewegen sich stockend
Parkinson, auch Schüttellähmung oder Zitterlähmung genannt, ist eine Erkrankung des Nervensystems – zwar nicht heilbar, aber behandelbar. Die Krankheit hat Auswirkungen auf die Feinmotorik. Der Patient bewegt sich stockend oder verlangsamt, seine Muskeln zittern sogar in der Ruhestellung. Durch eine gezielte Bewegungstherapie können solche Beeinträchtigungen gemildert werden. Verstärkt wird ihre Wirkung durch die sensorbasierte Einlegesohle, deren Funktion Seyfarth mit der einer „Brille für Schuhe“ vergleicht – allerdings ist diese „Brille“ sogar in der Lage, ihre Dioptrienzahl zu ändern.
Mit dieser ersten Bewegungsakademie wird eine neue Form des Miteinander- und Voneinanderlernens ausprobiert. Seyfarth fasst dies leger mit den Worten zusammen: „Kommt rein, sagt, was ihr mitbringt und sagt auch, was euch fehlt“. Er erhofft sich einen Paradigmenwechsel. Die eingeschränkte Sichtweise von Wissenschaftlern soll um die Erfahrungen der Nutzer, Berufspraktiker und Produktentwickler erweitert werden. Diese „Flip the classroom“-Methode, der umgedrehte Unterricht, soll die Kreativität aller Beteiligten beflügeln und die Gesellschaft weiterbringen.
Am ersten der beiden Akademietage stellen Studierende ihrem Publikum in Form von „Tandem talks“ die 30 hochkarätigen Bewegungsexperten aus Gesellschaft, Sport und Künsten vor und laden dann zum gemeinsamen Brainstorming ein. Seyfahrts Co-Moderator ist der renommierte Professor Nicholas Stergiou von der Universität Nebraska (Omaha), Fachbereich Biomechanik, der die Variabilität menschlicher Bewegungen erforscht hat.
Die Tagungssprache ist englisch, denn Seyfarth möchte die dynamische Form der kreativen Wissensverarbeitung gern an verschiedenen Orten und sogar in verschiedenen Länder als Einrichtung etablieren.
An den beiden Tagen wird es im Schlosshotel Kranichstein Vorträge, Seminare, praktische Übungen, Musik, Tanz und Akrobatik geben. Die Studierenden sollen ihre Eindrücke, Ideen und möglichen Aktionen stichwortartig verschriftlichen und zunächst in einer kleinen, dann in einer größeren Gruppe besprechen. Erst die Endergebnisse dieses Prozesses werden zur Diskussion gestellt. Neue Erkenntnisse können direkt in die Entwicklungsarbeiten von NovaPace einfließen. Zum Abschluss bekommen alle Beteiligten eine „Take-Home message“ auf den Weg.