Stecken Autohändler ohne Genehmigung Werbung an geparkte Fahrzeuge, ist das illegal. So können Autobesitzer dagegen Anzeige erstatten.
DARMSTADT. "Wollen Sie ihr Auto verkaufen?" Das ist eine Frage, die Heinrich Fischer schon lange nicht mehr hören kann. Wie viele andere Autohalter las er sie immer wieder auf Visitenkärtchen von Gebrauchtwagenhändlern, die ihm in die Fensterdichtung seiner Fahrertür gesteckt worden waren. Bis er irgendwann anfing, sich dagegen zu wehren - und das mit Erfolg, wie er nun bilanziert: "Seit einem Jahr finde ich die nicht mehr an meinem Auto."
Im Juli 2015 berichteten die ECHO-Leserimpulse schon einmal über dieses von Fischer beklagte Ärgernis. Klar war, dass es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit handelt, wenn der werbende Händler diese Karten ohne eine zuvor beim Ordnungsamt beantragte Sondergenehmigung an Autos anbringt. Das Amt riet Fischer - und allen anderen Bürgern, die sich davon belästigt fühlen - die Kärtchen in Kopie der Behörde zukommen zu lassen und eine Anzeige zu erstatten wegen unerlaubten Anbringens von Werbung am Auto.
Das hat der frühpensionierte Lehrer getan - und zwar äußerst konsequent, stets mit Angabe seines Namens und Kennzeichens: Zwischen Sommer 2015 und Ende 2016 erstattete er Anzeige gegen 13 unterschiedliche Firmen, die ihm Visitenkarten ans Auto gesteckt hatten. Am meisten habe ihn dabei gestört, dass der Dichtungsgummi beschädigt werde. "Da ist die Brühe in mein Auto gelaufen."
Dass er im Zuge seiner Offensive keine Visitenkarten an seinem Auto mehr fand, beweist für ihn, "dass man mit Beharrlichkeit und Initiative mehr erreichen kann, als nur zu 'maulen'". Er findet, dass man nicht nur nach der öffentlichen Hand rufen sollte, sondern diese unterstützen und sich auch selbst gegen Rechtsverstöße einsetzen sollte. "Irgendwann geben auch die penetrantesten Rechtsbrecher auf, wenn das Risiko, die Arbeit und die Kosten die illegal erzielten Gewinne übersteigen."
Doch auch wenn Fischer nun Ruhe hat, so gilt das für ganz Darmstadt nicht: "Die Belästigungen durch das Anbringen der Werbekärtchen sind nach wie vor vorhanden", heißt es aus der städtischen Pressestelle. Die nötige Sondergenehmigung habe noch kein Händler beantragt. Wenn einer dennoch Werbekarten an Autos steckt und das angezeigt wird, werde ein Bußgeld von 100 Euro fällig. Im Jahr 2016 seien sechs, 2017 bisher elf Bußgeldverfahren eingeleitet worden.
Und auch, wenn Heinrich Fischer sich darüber nicht mehr ärgern musste, so strapazierten Gebrauchtwagenhändler seine Nerven bald mit einer anderen Masche: "Auf einmal landeten bei mir Faxe." Acht solcher Spam-Faxe gingen bei ihm 2017 ein, und auch dagegen ging er vor. Hauptadressat dabei ist nicht das Ordnungsamt, da der Knackpunkt hier nicht eine fehlende Sondergenehmigung ist. Vielmehr handelt es sich um unzulässige Werbung sowie Rufnummernmissbrauch, und dagegen kann die Bundesnetzagentur vorgehen.
Laut ihren Angaben belief sich die Zahl der Beschwerden über Spam-Faxe im Jahr 2016 auf 16.096 (davon circa 11.000 Autohändler), bis Mitte November 2017 erreichten die Bundesnetzagentur 17.776 Beschwerden (davon circa 13.000 Autohändler). Ihre Maßnahmen zielten dabei auf die Abschaltung der in den Werbefaxen beworbenen Rückfaxrufnummern, an die Angeschriebene ihre Autos schicken sollen. Da die Versender aber ihre Nummern regelmäßig verschleierten, sei das Ermitteln ihrer Identität schwierig. Und ein Zugriff auf die Verbindungsdaten sei nur mit richterlicher Anordnung möglich.
"Das ist quasi die Visitenkarte in groß", kommentiert die Spam-Faxe Andreas Ottofüllung von der Wettbewerbszentrale, einer Selbstkontrollinstanz der Wirtschaft zur Durchsetzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Auch bei ihnen hätten die Beschwerden darüber jüngst zugenommen - von 92 im Jahr 2016 auf bislang 251 in 2017. Sie könnten eine Unterlassungserklärung verlangen und bei Nichtabgabe eine Klage erheben. Doch seien die Verursacher teils schwer zu bekommen. Das gelte auch im Falle der Visitenkarten.
Für Heinrich Fischer endete die Belästigung auch durch die Spam-Faxe erst dann endgültig, als er seine Faxnummer deaktivierte. Ob Faxe oder Visitenkärtchen: "Im Moment null", freut sich der 62 Jahre alte Darmstädter. "Es hat sich alles zum Positiven gewendet." Zumindest für ihn.