Im Fuchsbuckel-Prozess geht es um die möglichen Suizidabsichten des Angeklagten.
DARMSTADT/HEPPENHEIM. (mawi). Der 18-Jährige aus Groß-Bieberau wusste nicht so recht, wohin er sollte, einen Tag vor Silvester 2018. Mit seinen Eltern hatte er üblen Krach, weil er Schmuck der Mutter versetzt hat. Um Geld für Weihnachtsgeschenke, Zigaretten und Benzin zu haben, sagte er. Zudem hatte ihn die Polizei erwischt, wie er am 23. Dezember mit seinem nicht zugelassenen Ford Focus Kombi und ohne Führerschein – ihm fehlten noch zwei Theoriestunden – durch Reinheim gefahren war.
So fuhr er am 30. Dezember gegen 17.30 Uhr mit dem Ford über die Autobahn 5 zur Freundin. Eine Streife der Autobahnpolizei erkannte das vor sechs Jahren abgelaufene Nummernschild. Er flüchtete, streckenweise mit 180 Stundenkilometern. Und fuhr dabei auf den Rastplatz „Fuchsbuckel“ bei Heppenheim, wo er aber mit über 100 Stundenkilometern in einen parkenden Düsseldorfer Mazda rast. Ein Zehnjähriger im Auto wurde schwer, seine neben ihm sitzende 39 Jahre alte Mutter tödlich verletzt.
Nun steht der 18-Jährige wegen Mordverdacht vor der Jugendkammer des Darmstädter Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor, weil er mit der Flucht vor der Polizei seine Straftaten (Fahren ohne Führerschein und ohne Zulassung) verdecken wollte und das Auto als gemeingefährliche Waffe einsetzte, beides sind Mordmerkmale. „Entkommen war wichtiger als überleben“, sagte Oberstaatsanwalt David Kirkpatrick auch mit Blick auf Äußerungen des Angeklagten vor dem Unfall.
Der Angeklagte, der sich als „Autonarr“ bezeichnet, hatte am ersten Tag den Sachverhalt eingeräumt, aber die Mordabsicht bestritten. „Ich war durch die ganze Situation emotional stark belastet“, hatte er über einen seiner Anwälte erklären lassen und damit auf den Streit mit den Eltern und das Reinheimer Ermittlungsverfahren hingewiesen. Aber er habe sich nicht umbringen wollen, erklärte der Angeklagte. Auch wenn er darüber gesprochen habe. „Mir ging es da eher um Aufmerksamkeit und Bestätigung“, hatte Rechtsanwalt Stephan Kuhn vorgelesen. Die Formulierung ‚lieber tot als im Gefängnis‘ in einem Chat, sei „eher Gepose“ gewesen.
Die möglichen Suizidabsichten des 18-Jährigen waren Thema des zweiten Verhandlungstags am Freitag. Ein Bekannter (21) des Angeklagten konnte den Krach zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern illustrieren, er hatte die Audiodateien mit den Beschimpfungen auf seinem Handy. „Du kannst mich am Arsch lecken, Freundchen“, hörte man da. „Du Dieb!“ Oder: „Warum bringt er sich nicht um, das Stück Scheiße.“
„Wie wollte der Angeklagte die Kuh vom Eis bringen?“, fragte der Vorsitzende Richter Marc Euler den Zeugen. „Er wollte mit einem Auto gegen eine Wand fahren“, sagte der Babenhäuser. „Ich habe ihm davon abgeraten.“ Es sei aber auch überlegt worden, gemeinsam abzuhauen, und was man Silvester vorhabe, so der Zeuge.
Ein 18-jähriger Reinheimer hatte den Angeklagten noch am 28. Dezember getroffen. „Er kam relativ normal rüber“, sagte er, man habe unter anderem überlegt, Silvester gemeinsam zu feiern. Der Angeklagte habe keine Selbstmordabsichten geäußert, so der Zeuge.
Ein Polizist, der das Angeklagtenhandy ausgewertet hatte, schilderte, dass der Angeklagte mit seiner Freundin im Chat diskutiert habe, sich am 10. Januar zu verloben. Da hätten beide ihr Einjähriges als Paar feiern können – aber der Angeklagte war noch am 30.Dezember in Untersuchungshaft gekommen. Der Prozess wird am 24. Juli um 9 Uhr fortgesetzt.