Energiekrise trifft auch Varieté "Da Capo" in Darmstadt

James Jungeli lädt auf: In seinem Betrieb in Münster sind die Sattelschlepper mit dem Material fürs Varieté "Da Capo"schon bereit für die Fahrt nach Darmstadt, wo am 25. November Premiere sein soll. © Karl-Heinz Bärtl

Rund 40 Sattelschlepper sind bereits beladen. Ende Oktober beginnt der Aufbau fürs Varieté in Darmstadt. Aber wie kommt die Show im Zelt durch den Winter während der Energiekrise?

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DARMSTADT/MÜNSTER. Für den ECHO-Fotografen springt James Jungeli gleich mal auf den Radlader und rangiert zwischen Sattelschleppern über seinen Hof im Gewerbegebiet. Rund 40 Lastzüge sind bereits beladen. In einer Halle voller Show-Ausrüstung von der Popcornmaschine bis zu Deko-Säulen warten nur die rot bezogenen Stühle - gereinigt und in Folie verschweißt - noch darauf, verladen zu werden. Nicht mehr lange, und der Theater-Treck wird wieder losbrummen: vom Gewerbegebiet in Münster zum Darmstädter Karolinenplatz. Ende Oktober beginnt der Aufbau des "Tipidroms", in dem ab dem 25. November die 30. Show des Varietés "Da Capo" gespielt wird.

"Cirque de Da Capo" heißt das Programm, das zum Jubiläum keine Retro-Schau bieten soll. Inspiriert von der Kinobiografie "The Greatest Showman" über den Zirkuspionier Phineas Taylor Barnum, verspricht Impresario Jungeli "Nonstop-Artistik". Es gibt die Rahmenhandlung einer Frau, die ihr Lachen verloren hat, auf den Zug wartet, am Bahnhof einschläft und sich dann in einen Zirkus hineinträumt. Dann aber soll es umstandslos zur Sache gehen. Dabei seien die Damen im sonst männerdominierten Artistik-Fach diesmal stark vertreten. Ein weibliches Quartett will zeigen, wie sie Athletik mit Ästhetik paaren. Die Herren wiederum sieht man auch mal im Tutu.

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Von 500 Plätzen werden nur 420 verkauft

Zwei Stunden ohne szenische Unterbrechungen soll es geben. Vielleicht sogar ohne Pause. Darüber sei noch nicht endgültig entschieden, sagt Jungeli im Gespräch mit dieser Zeitung. Getränke ließen sich jedenfalls auch während der Vorstellung servieren. Buffet wird auch wieder angeboten. Und anders als im Corona-Winter 2021/22, als es auch Stuhlreihen gab, sitzen nun wieder alle Zuschauer an Tischen. Rund 500 Plätze gibt es im Zelt, es sollen aber vorsorglich nur rund 420 verkauft werden - falls die Pandemie im dritten Corona-Winter wieder zu Einschränkungen führen sollte. Wer Kultur anbietet, ist da ja Kummer gewohnt.

Und kaum schrumpft die eine Sorge, wächst die andere. Jedes Unternehmen muss sich derzeit auf stark steigende Kosten für Licht und Heizung einstellen. Ein Betrieb, der in der dunklen Jahreszeit in einem Zelt Herzen wärmen will, ohne dass die Füße kalt werden, ist den Widrigkeiten der Witterung aber besonders blank ausgesetzt. Ob es im Dezember nun 15 Grad plus oder minus hat, das lässt sich ja nicht planen. Neue Dämmfolie zwischen den Zeltplanen und eine zusätzliche Abdeckung am Boden können jedenfalls nur einen begrenzten Effekt auf die Nebenkosten haben.

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Alle Infos rund um das Thema Energiekrise finden Sie in unserem Dossier.

Damit aber will Jungeli sich jetzt auch nicht belasten und kommt im Gespräch prompt auf Touren, wenn er von seiner Vision fürs neue Programm schwärmt: "Sie müssen den Alltag vergessen, haben gar keine andere Chance!" Der Mann ist ja mit einem vollmundigen Sendungsbewusstsein und energischer Begeisterungsfähigkeit in eigener Sache gesegnet. Diesmal allerdings speist sich sein notorischer Enthusiasmus nicht aus bunter Fantasie und gutem Vorsatz, sondern aus Vorstellungen in Paris und Las Vegas, wo die Show im Sommer bereits erprobt wurde. Bislang waren die Darmstädter Premieren ja Uraufführungen. Zum Jubiläum aber wollte Jungeli auf Nummer sicher gehen. Nach zwei schwierigen Jahren muss man ja auch nicht zu viel riskieren.

Varieté als Traum und Hobby

In der Saison 2019/20 musste "Da Capo" im Lockdown alles absagen. Im vergangenen Jahr lief es zunächst auch schlecht an. Der Besuch war sehr verhalten, Firmen hatten ihre Weihnachtsfeiern abgesagt. Heute aber blickt Jungeli milde zurück: "Für die Ausgangssituation war es schließlich sehr gut. Die Leute wollten irgendwann doch noch feiern." Dennoch haben er und sein Team in den vergangenen "zwei Jahren moralisch und psychologisch gelitten."

Und dass sie nun in die 30. Saison gehen, hängt eben auch damit zusammen, dass der Varietémacher Jungeli auch Spediteur, Großzeltverleiher und vor allem Gartengestalter ist. "Das hat uns die Schlinge vom Hals gezogen." Das Varieté sei sein "Traum" und sein "Hobby", der Gartenbau sein "Handwerk". Doch wenn Jungeli erzählt, wie er sich dafür begeistert, mit dem 70-Tonner über die Autobahn zu rauschen und in der Fahrerkabine zu übernachten, dann ahnt man, dass diesem Mann irgendwie alle seine Jobs zum kindlichen Abenteuer werden können.