EKHN: Ballett für Kehrmaschinen
DARMSTADT - "Wir fahren los auf die vier", schmettert Fabian Vogt in sein Mikrofon, "eins, zwei, drei, vier! Blinklicht, eins, zwei, drei vier! Bürste, eins, zwei, drei, vier!" Jetzt blinken sie alle mit rotierenden Bürsten, die acht Kehrmaschinen von Ibel und Lotz, und holpern in einer Staubwolke auf Vogt zu. Aber nicht lange, denn der lässt sie - immer auf vier - Kurven und Kreise fahren, Pirouetten drehen, ein Kreuz formieren.
Sie beherrschen ihre Vehikel virtuos, die Fahrer der Darmstädter Reinigungs- und Räumfirma. Anders wäre das merkwürdige Schauspiel nicht möglich, das der Regisseur Vogt ersonnen hat und nun auf dem Darmstädter Messplatz zur Aufführung bringt.
"Das weltweit erste Kehrmaschinen-Ballett" - Vogt ist sich sicher, dass so etwas bisher nirgendwo sonst zu sehen war - folgt einer Dramaturgie, in der seine Frau Miriam und sein Sohn Moritz wichtige Rollen spielen. Und es dient einem Zweck, den der Regisseur so erklärt: "Ziel ist, eine anschauliche Geschichte zu erzählen, die das Erleben von Buße und Vergebung bildhaft vor Augen führt." Auftraggeber des Schauspiels, das mit mehreren Kameras festgehalten wird und ab Samstag als Stummfilm im Internet zu sehen sein soll, ist die EKHN.
Die Auftaktszene gehört Miriam Küllmer-Vogt, selbst Pfarrerin aus dem Vordertaunus und zugleich freiberufliche Schauspielerin. Die Buchstaben, die vor ihr auf dem staubigen Messplatz liegen, bilden die Worte "Schuld", "Hass", "Leid" und "Gier". Mit einem breiten Besen kehrt die Darstellerin die Begriffe unter einen großen Teppich, doch dort bleiben sie nicht lange: Der elfjährige Moritz legt sie wieder frei, ein starkes Gebläse pustet sie der Frau wieder vor die Füße.
"Himmlische Kehrscharen"
Jetzt treten - "eins, zwei, drei, vier!" - die Kehrmaschinen in Aktion, vom Regisseur augenzwinkernd als "himmlische Kehrscharen" vorgestellt. In einer Staubwolke fahren sie ihre Figuren und Formationen, in der Luft begleitet von einer Kameradrohne. Am Ende kommen noch Schüler der Friedrich-List-Berufsschule ins Spiel, die gemeinsam mit den Kehrmaschinenfahrern die Frau und ihr Kind feiern: Die bösen Empfindungen sind besiegt.
"Buße ist ein schweres Thema", weiß Ulrike Schmidt-Hesse, Dekanin des evangelischen Dekanats Darmstadt-Stadt. "Dabei geht es hier um Befreiung. Schuld kann schließlich schwer belasten."
Zum anstehenden Buß- und Bettag am 18. November - es ist der zwanzigste, der nicht mehr wie früher arbeitsfrei ist - hat die EKHN die Kampagne "Buße - Hausputz für die Seele" entwickelt, mit der Gläubige ermuntert werden sollen "sich persönlicher Schuld und auch Verstrickungen in gesellschaftliche Schuldzusammenhänge zu stellen", wie es Schmidt-Hesse formuliert. Die Dekanin verweist auf die westliche Lebensweise, die zu Ungerechtigkeiten, Not und Gewalt in anderen Teilen der Welt führe und damit wiederum Fluchtgründe schaffe. Buße, Vergebung und Umkehr seien zentrale Themen des christlichen Glaubens und Lebens. Eine entsprechende Postsendung geht dieser Tage an alle evangelischen Gläubigen.
Im Zusammenhang der gesellschaftlichen Schuld steht auch ein Vortrag am 16. November in der Stadtkirche: Um 19.30 Uhr spricht der Theologe Konrad Raiser über "Umkehr zum Leben - der Klimawandel als spirituelle Herausforderung".