Ein Jahr nach den tödlichen Unfällen in der Bismarckstraße

Die Bismarckstraße. Foto: Torsten Boor

Vor ungefähr einem Jahr kamen bei zwei Unfällen auf der Bismarckstraße zwei Menschen ums Leben. Die Straße bleibt gefährlich - es gibt aber Ideen für den Kreuzungsumbau.

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DARMSTADT. Ein Jahr nach den tödlichen Unfällen auf der Bismarckstraße, die zwei Radfahrer das Leben gekostet haben, hat sich an den beiden Kreuzungen wenig zum Besseren verändert. Die Stadt wollte "unmittelbar Abhilfe schaffen", so hatte es Planungsdezernentin Barbara Boczek (Grüne) im November 2017 erklärt, sofern sich aus der Untersuchung der Kreuzungen Risiken ergeben sollten. Die Stadtverordneten hatten im Dezember rasche Maßnahmen vom Magistrat gefordert. Ergebnis: In diesem Monat ließ die Stadt "Trixi-Spiegel" an den Unfallorten aufstellen. Die sollen Lastkraftfahrern mehr Überblick geben. Auch veränderte Haltelinien für Kraftfahrer sollen gezogen werden, um Radlern etwas mehr Vorsprung zu geben - "demnächst", teilt die Stadt mit.

"Das ist die Minimal-Lösung", sagt David Grünewald von der Initiative "Radentscheid". Mitstreiter Tim Kress ("Darmstadt fährt Rad") legt jetzt selbst einen Vorschlag für den Umbau der heiklen Kreuzung Bismarck-/Grafenstraße vor. Der geht weiter und verspricht deutlich mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer.

Kraftfahrer haben Zweiräder beim Abbiegen besser im Blick

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Statt es bei Spiegeln und aufgemalten Linien zu belassen, regen die Radler einen Umbau "zu geschützten Kreuzungen" an. Das "Schutzinsel-Prinzip" stammt aus den Niederlanden. Wichtigster Unterschied: Die Radwege werden nicht geradeaus weitergeführt, wo die Radler leicht von abbiegenden Kraftwagen erfasst werden können, sondern auf verschwenkten und baulich abgesetzten Bahnen über die Kreuzung geführt. Viel wäre gewonnen, glaubt Kress. Die Autos und Lastwagen würden langsamer um die Kurven fahren. Die Kraftfahrer würden die Radler besser im Blick behalten. "Zudem entstehen Aufstellflächen für Kraftfahrzeuge, so dass geradeaus fahrender Verkehr nicht behindert wird." Auch die Radler bekämen klar markierte "Wartebereiche" - alles Vorzüge, die im jetzt angekündigten "Maßnahmenpaket" der Stadt nicht vorkommen.

Dabei gibt es positive Beispiele in Darmstadt, wo Radlern mehr Sicherheit geboten wird. David Grünewald nennt die Kreuzung der Wilhelminenstraße mit der viel befahrenen Heinrichstraße; hier hat die Stadt eine fünf Meter breite Aufstellfläche markieren lassen, auf der die Fahrradfahrer vor den Autos warten, in sicherem Abstand - ein Platz, den sie auf der Bismarckstraße nicht haben.

In einer AG "Sofortmaßnahmen" stecken die Initiativen derzeit die Köpfe mit Verkehrs-Experten der Verwaltung zusammen - seit Oktober 2018.

Auch mit der Heag mobilo ist die Stadt im Gespräch. Das Projekt "Davina" soll die Verkehrsflächen auf der Frankfurter Straße, auf dem Willy-Brandt-Platz und auf der östlichen Bismarckstraße ab 2022 neu ordnen. Dabei sind auch neue Radwege geplant und Kreuzungen mit eigenen Rad-Ampeln. Weitreichende Ideen wie eine "Schutzinsel" fehlen in den bisherigen Plänen.

Derweil steigen die Zahlen der Radler, die durch Unfälle verletzt oder getötet werden. 223 Verletzte zählte die offizielle Unfallstatistik 2017 im Stadtgebiet, 7,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Bei der Zahl der verletzten Radler im Verhältnis zu den Einwohnern liegt Darmstadt weiter an der Spitze der hessischen Großstädte.

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Planungsdezernentin Boczek hatte einen dringenden Handlungsbedarf in der Bismarckstraße schon zu Beginn in der Diskussion Ende November 2017 relativiert. Die Dezernentin sprach am Tag des zweiten Unfalls, dem 28. November, von einem "schrecklichen Zusammentreffen der Umstände". Die Bismarckstraße sei in den letzten Jahren jedoch "nicht durch eine Häufung von Unfällen aufgefallen". Anlass, rasch aktiv zu werden, sah sie nicht.

Rad-Aktivist Tim Kress sieht das ein Jahr später anders. "Wir müssen uns als Gesellschaft fragen", schreibt er auf seiner Website, "ob wir es hinnehmen wollen, dass Verkehrsopfer in unserer Gesellschaft viel zu unkritisch als 'tragisches Unglück' akzeptiert werden." Man dürfe auch nicht warten auf "Abbiege-Assistenten, über die irgendwo im fernen Berlin oder in Brüssel geredet wird". Gerade bei den anstehenden Umbau-Projekten in Darmstadt "sollten wir die Gelegenheit nutzen und eine Infrastruktur bauen, die menschliche Fehler verzeiht und schwere Unfallfolgen minimiert".