Aktionsgruppen wollen in Darmstadt zeigen, dass Parkplätze sinnvoller genutzt werden können als zum Abstellen von Autos. In der Grafenstraße funktionieren sie deshalb die...
DARMSTADT. Wie könnte der öffentliche Raum aussehen, wenn es weniger Parkplätze gäbe? Das zu zeigen ist der Sinn des Park(ing) Days, der weltweit am 21. September begangen wird – auch in Darmstadt. So konnte man am Samstagnachmittag auf Parkplätzen rechts und links der Grafenstraße erleben, was man auf zwölf Quadratmetern besser machen kann als ein Auto abzustellen.
Lastenfahrräder, beladen mit Infomaterial, neben Campingtischen und –stühlen, hatten den Platz der Pkw eingenommen. Am Stand von Foodsharing gab es Bananen, Trauben und knackige Radieschen, Passanten griffen da gern zu. Andere ließen ihr Rad vom ADFC checken. Nach kurzer Prüfung zog ein Radler mit dem Rat von dannen, sich einen neuen Zug für seine Kettenschaltung einbauen zu lassen.
Geruhsamer ging es am Platz der Organisation Klimaentscheid zu, die einen Bürgerentscheid zur Förderung des Klimaschutzes fordert. „Wir sammeln nur Unterschriften“, gab einer der jungen Leute als Ziel ihrer Teilnahme am Park(ing) Day an.
Noch ganz begeistert vom Erfolg der Klima-Demonstrationen am Freitag, an denen sich 10 000 Menschen aller Altersgruppen beteiligt hatten, bekannte Jacob Chromy von Extinction Rebellion: „Wir wollen uns heute nur ausruhen.“ Aber die auf Decken und Liegen Chillenden verteilten auch Kuchen. Die vor drei Monaten gegründete Darmstädter Ortsgruppe – eine von 80 in Deutschland – hat bereits 100 Mitglieder. Die in England entstandene Bewegung will massiven Druck auf die Machthabenden ausüben, „um unsere einzige Heimat und Lebensgrundlage, diesen Planeten, zu retten“, wie es auf Flyern heißt. Der friedliche Protest gegen die ökologische Krise, so Chromy, brauche noch ein bisschen mehr zivilen Ungehorsam. Nach dem völlig enttäuschenden Ergebnis der Berliner Klimabeschlüsse müssten noch mehr Menschen vom Konsumenten zu Akteuren werden.
Eine Forschungsgruppe der Hochschule Darmstadt (HDA) kümmert sich um „Systeminnovationen für nachhaltige Entwicklung“. Präsentiert wurde ein Entwurf für „Stadtentwicklung in der Mollerstadt“. „Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen“, wie Professor Axel Wolfermann erläuterte. Unter anderem könnten Menschen aus der Region über ein Bürgerpanel (https://buergerpanel.h-da.de) Wünsche und Meinungen äußern Wichtig sei, dass man den Bürgern nicht einfach Parkplätze wegnehme, sondern ihnen auch sagen könne: „Wir geben Euch was zurück.“
Was das bedeuten könnte, hatte anschaulich Ozan Akcay umgesetzt: Mit Freunden hatte der Anwohner Plüschcouch und -sessel, einen Tisch und einen Globus aus seiner Wohnung auf die Straße geschleppt und einem Parkplatz zu einem kleinen Wohnzimmer gestaltet. Dazu gab es Tee. „Ich bin überzeugt, dass weniger Parkplätze auch für die hiesigen Geschäfte lukrativ wären“, so seine Einschätzung.
Das sahen die meisten Läden aber entschieden anders. Der Park(ing) Day verfehle komplett seine Ziele, schimpfte Markus Größle, Inhaber eines Geschäfts für Baby-Ausstattung und eines Betriebs für Innenausbau. „Da kamen Autos angefahren, es wurden Fahrräder und andere Sachen für die Aktion abgeladen und die Autos dann irgendwo in der Stadt geparkt. Wo ist da der Sinn?“ Der Einzelhandel dürfe nicht kaputt gemacht werden.
„Wir werden nicht alle Autos aus der Stadt bekommen und wir werden immer Autos brauchen“, gab sich Sabine Crook vom Verkehrsclub Deutschland keinen Illusionen hin. Sie findet es aber empörend, dass Parkplätze für Autos größer seien als die meisten Kinderzimmer in Deutschland.